Nach(t)kritik
Unbezwingbar
Veranstaltung: Wally & Ami Warning: groove and soulEs ist ziemlich genau drei Jahre her, dass Wally Warning und seine Tochter Ami mit „Groove and Soul“ im Bosco gastierten. Damals hatte sich Wally gerade erst von einer schweren Erkrankung zurück auf die Konzertbühne gekämpft, und viele seiner Fans feierten den Mann aus Aruba wie einen Auferstandenen. Drei Jahre später verrät nur ein Krückstock, dass ihm sein Leiden noch immer zusetzt. Ansonsten aber fließt seine spirituelle Energie, als wäre nichts geschehen, auch die ohrenbetäubende Rückkopplung der Soundanlage zu Konzertbeginn kann daran nicht wirklich rütteln: „Ich bin Waage and I lost the balance“, sagt er später fast entschuldigend zwischen zwei Songs in Wally-typischem Sprachmix, „but what comes to you comes from the heart!“ Ja, dieser unbeugsame Mensch mit dem großen Herzen und den Surinam-Wurzeln schafft es wie eh und je, den Leuten durch seine Lieder und seine Ansprache Kraft und Mut zu geben, auch wenn er das alles eigentlich für sich selbst bräuchte. Doch es ist bei Warning im Sinne christlicher Nächstenliebe ja tatsächlich so, dass Geben seliger ist denn Nehmen. Wally sieht sich selber stets als den Beschenkten an, freut sich über die neben ihm auf der Bühne sitzende wunderbare Tochter Ami, wie es eben nur ein stolzer Papa kann. Bringt immer wieder seine Dankbarkeit zum Ausdruck, dass er hier sein und gemeinsam mit Ami dieses Konzert geben kann. Die Lieder sind zwar teilweise über 40 Jahre alt, aber sie wirken heute, als wären sie mit prophetischer Weitsicht für diesen Abend im Bosco geschrieben worden. Die entsprechenden Titel heißen „Thankful“ und „Hope“ und „Take Life“ und erzählen von positiver Demut, von der niemals versiegenden Kraft der Liebe („Love Can Save Us“) und von der Hoffnung, dass diese Kraft die aus den Fugen geratene Welt retten wird. Wem das vielleicht zu missionarisch erscheint, der muss Wally nur dabei zuschauen, wie er diese simple Botschaft mit seinem karibischen Lächeln aussendet, das keine Glaubensfragen mehr offen lässt.
Tochter Ami hat diesen unwiderstehlichen Wally-Spirit natürlich geerbt, aber als Sängerin ist sie mit ihrer aufregend dunklen Stimme fast so etwas wie ein Kontrapunkt zum sonnigen Gemüt des Vaters. Ami, schon seit einigen Jahren auch solo unterwegs, hat längst ihren eigenen Stil gefunden, hat sich weiter-entwickelt von den grüblerischen, noch zweifelnden Jung-Mädchen-Anfängen in ihren Liedern hin zu einer Frau, die ihre Erfahrungen gemacht hat und auf der Bühne immer mehr Souveränität ausstrahlt. Wie schon vor drei Jahren wechselten sich Vater und Tochter mit den Leadvocals und im Tausch von Gitarre und Bass auch diesmal häufig ab. Mal kamen Amis eigene Texte wie „Stay Alive“ zum Tragen, mal Wallys „alte“, ewig gültige Songs. Gemeinsam gelang es den beiden aber auch, spannende Neu-Interpretationen solcher Warning-Klassiker zu liefern. Wally nimmt dann eine indische Juti-Box (Wally nennt sie „Scrootie Box“) zu Hilfe, um damit den düsteren Drive seines Hits „Promises“ (1983) noch zu steigern, oder er greift zu einem kastenartigen Instrument, das er als „Keksbox-Gitarre“ vorstellt. An den Drums unterstützt wurde das Duo diesmal von „Reuben Lupke“ (O-Ton Wally), der vor allem den Reggae-Beat gut drauf hat und vermutlich „Lübke“ heißt. Warning ist jederzeit sogar für Überrschungen gut wie den Curtis-Mayfield-Schinken „Stone Junkie“, dem er zusammen mit Ami einen ganz eigenwilligen Touch zu geben weiß. Man spürt bei jedem einzelnen seiner Songs, die Wally ausgewählt hat, dass er damit etwas sehr Persönliches, geradezu Biographisch-Intimes zum Ausdruck bringen will, etwas, das ihm als Botschaft buchstäblich am Herzen liegt – man lauscht hier im Grunde einem weisen Mann, der auch Priester hätte sein können und doch nur ein T-Shirt mit der Aufschrift trägt, die das Wort „gentle“, sanft, beinhaltet. So ist es auch kein Zufall, wenn „Ain´t No Sunshine“ von Bill Withers zum Repertoire gehört, ein in seiner schmerzvollen Melancholie unvergleichlicher Song. Doch Wally Warning weiß natürlich auch, dass seine Fans von ihm genauso die Volldampf-Nummer „No monkey“ erwarten, mit der er seine schlechten Erfahrungen mit Plattenfirmen verarbeitet und ganz nebenbei einen Superhit gelandet hatte.
Der Gute-Laune-Sound, für den Wally von seinem Publikum ja auch immer geliebt wurde, er kommt inzwischen ein wenig verhaltener daher, doch noch immer kraftvoll in der Aussage, sich niemals unterkriegen zu lassen und das Leben so zu nehmen, wie es ist. Drei Zugabe-Songs erklatscht sich das begeisterte Bosco-Publikum: Wally lässt sich natürlich trotz seiner körperlichen Beschwerden nicht lumpen und kehrt noch zwei Mal auf den Stuhl zurück. Mit Ami, die ihn nicht nur auf der Bühne stützt, mit seiner Krücke und mit seinem Kraft spendenden Wally-Lächeln. Einfach unbezwingbar.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.