Nach(t)kritik
Unter dem Milchwald
Veranstaltung: Metropoltheater München: Unter dem Milchwald von Dylan ThomasIn der Malerei würde man wohl von Pointillismus sprechen: Der walisische Poet Dylan Thomas hat mit dem fiktiven Fischerstädtchen namens "Llaregubb" und dessen skurrilen Bewohnern ein aus unzähligen Wort-Tupfern zusammengesetztes Bildnis geschaffen, das seinesgleichen sucht - Llaregubb steht offenbar stellvertretend für alle anderen Orte in Wales, eingezwängt zwischen Bergen und dem Meer, im Titel des Thomas-Hörspiels als "Unter dem Milchwald" verortet.
Das Metropoltheater München gastierte im Bosco nun mit einer Inszenierung von Ulrike Arnold, welche diesen Ort immerwährender Ödnis und ewiger Fortzeugung des immer Gleichen im Geiste des farbklecksenden Dichters zum Leben erweckte: So wie einleitend die aus fünf wogenden Leibern bestehenden Gezeiten kommen und gehen, herrscht auch in diesem "Llareggub" ein Kommen und Gehen von Hoffnungen und Enttäuschungen, von Verzweiflung und aufwallendem Mut - ein niemals endender Trott aus Alltags-Agonie: Die Lebensäußerungen seiner Menschen durchzieht dabei ein unüberhörbarer Grundton tiefer Düsternis, der nur gelegentlich von absurder Komik durchbrochen scheint. Der Autor seziert seine Figuren wie Käfer unter der Lupe und schreibt den Akteuren Sätze auf den ausgemergelten Insekten-Leib wie jener illusionslosen Mutter: "Nichts wächst in unserem Garten - nur Wäsche und Babys." Oder er lässt den alles verwertenden "Familienmetzger" auftreten und beiläufig sagen: "Ich muss den Pekinesen abkochen, wegen der Bazillen." Und doch ist Thomas´ Sprache stets auch von großer, zärtlicher Kraft, wenn er die Einsamkeit eines vergeblichen Liebeswerbers umschreibt: "Und er drückt sein eigenes schönes Geld an sein eigenes Herz."
Die fünf Schauspieler des "Metropol" leisten in der begleitenden Action zu all diesen sprachlichen Juwelen (Übersetzung ins Deutsche: Erich Fried) Enormes: Immer in Bewegung, reihen sie mit Hilfe einer Drehbühne im stets gleichen Grund-Tableau Szene an Szene, ohne jedwede durchgängige Handlung. Wer gerade nicht "agiert", schuftet beim Drehen der Welt, also der von Julia Schröder konzipierten Bühne mit. Schätzungs-weise 20 "Rollen" bilden dieses Kabinett des Bizarren - und was das Dichter-Wort nicht schafft, gelingt der Wandlungsfähigkeit der fünf Akteure. Viola von der Burg, schon bei früheren Aufführungen des "Metropoltheaters" ("Black Rider") herausragend, wird diesmal von Markus Fennert, Eli Wasserscheid, Lena Dörrie und Thomas Meinhardt auf Augenhöhe unterstützt, wobei die rasche Szenenfolge es gestattet, dass jeweils eine Figur im Mittelpunkt bleibt.So entsteht eine Art Gesamtschau walisischer Küstenkäffer, eine Vermessung des unrettbar Provinziellen - und eine Liebeserklärung an all diese Hässlichkeit des Seins. In "Llareggub", dieser "Hauptstadt der Dämmerung", die rückwärts gelesen "Bugger, all" heißt und angeblich so viel wie "rein gar nichts" bedeutet. Das Nichts aber, es hat unglaublich viel Farbschattierungen.
Lang anhaltender Applaus am ersten von zwei Bosco-Gastspiel-Abenden des Metropol-theaters München für ein fulminantes Stück Soziographie.
Das Metropoltheater München gastierte im Bosco nun mit einer Inszenierung von Ulrike Arnold, welche diesen Ort immerwährender Ödnis und ewiger Fortzeugung des immer Gleichen im Geiste des farbklecksenden Dichters zum Leben erweckte: So wie einleitend die aus fünf wogenden Leibern bestehenden Gezeiten kommen und gehen, herrscht auch in diesem "Llareggub" ein Kommen und Gehen von Hoffnungen und Enttäuschungen, von Verzweiflung und aufwallendem Mut - ein niemals endender Trott aus Alltags-Agonie: Die Lebensäußerungen seiner Menschen durchzieht dabei ein unüberhörbarer Grundton tiefer Düsternis, der nur gelegentlich von absurder Komik durchbrochen scheint. Der Autor seziert seine Figuren wie Käfer unter der Lupe und schreibt den Akteuren Sätze auf den ausgemergelten Insekten-Leib wie jener illusionslosen Mutter: "Nichts wächst in unserem Garten - nur Wäsche und Babys." Oder er lässt den alles verwertenden "Familienmetzger" auftreten und beiläufig sagen: "Ich muss den Pekinesen abkochen, wegen der Bazillen." Und doch ist Thomas´ Sprache stets auch von großer, zärtlicher Kraft, wenn er die Einsamkeit eines vergeblichen Liebeswerbers umschreibt: "Und er drückt sein eigenes schönes Geld an sein eigenes Herz."
Die fünf Schauspieler des "Metropol" leisten in der begleitenden Action zu all diesen sprachlichen Juwelen (Übersetzung ins Deutsche: Erich Fried) Enormes: Immer in Bewegung, reihen sie mit Hilfe einer Drehbühne im stets gleichen Grund-Tableau Szene an Szene, ohne jedwede durchgängige Handlung. Wer gerade nicht "agiert", schuftet beim Drehen der Welt, also der von Julia Schröder konzipierten Bühne mit. Schätzungs-weise 20 "Rollen" bilden dieses Kabinett des Bizarren - und was das Dichter-Wort nicht schafft, gelingt der Wandlungsfähigkeit der fünf Akteure. Viola von der Burg, schon bei früheren Aufführungen des "Metropoltheaters" ("Black Rider") herausragend, wird diesmal von Markus Fennert, Eli Wasserscheid, Lena Dörrie und Thomas Meinhardt auf Augenhöhe unterstützt, wobei die rasche Szenenfolge es gestattet, dass jeweils eine Figur im Mittelpunkt bleibt.So entsteht eine Art Gesamtschau walisischer Küstenkäffer, eine Vermessung des unrettbar Provinziellen - und eine Liebeserklärung an all diese Hässlichkeit des Seins. In "Llareggub", dieser "Hauptstadt der Dämmerung", die rückwärts gelesen "Bugger, all" heißt und angeblich so viel wie "rein gar nichts" bedeutet. Das Nichts aber, es hat unglaublich viel Farbschattierungen.
Lang anhaltender Applaus am ersten von zwei Bosco-Gastspiel-Abenden des Metropol-theaters München für ein fulminantes Stück Soziographie.
Thomas Lochte, 18.05.2015
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.