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Nach(t)kritik

Do, 10.12.2015
20.00 Uhr

Versetzung gefährdet

Veranstaltung: Horst Schroth: Null Fehler!
„Erfolg“, sagt der Hamburger Fast-Ex-Lehrer Olaf Laux alias Horst Schroth, „Erfolg ist nur die Summe der vermiedenen Fehler, sonst nix.“ Und mit vermiedenen Fehlern kennen Lehrer sich aus, viele machen es zu ihrem Lebensthema: Null Fehler, Eins. „Null Fehler“ ist der Titel des Programms mit dem Schroth als Laux im bosco das Publikum mit einem „Info-Abend“ unterhält und zuweilen belehrt. Beides ist sein Job, beides macht er ganz anständig. Keine Überdurchschnitte, wie der kurz nach der Frühpensionierung frühverstorbene Kollege Winnie sagen würde (was dieser natürlich in Bezug auf die Damenwelt meinte – Fach: Sport, logisch), aber auch keine Unterdurchschnitte. Ausreißer nach oben und nach unten. Versetzung also nicht gefährdet.
Moment mal: können Lehrer versetzungsgefährdet sein? Im Prinzip ja, nur dass die Gefährdung eher eine räumliche denn zeitliche ist: sie müssen nicht ein ganzes Jahr wiederholen, sondern erleiden die Gefährdung einer Versetzung beispielsweise nach Hof oder Weiden. In Hamburg wäre das Äquivalent eine Kleinstadt nahe der dänischen Grenze. Doch derart versetzungsgefährdet war Olaf Laux nie, und sein Info-Abend in Gauting führt vermutlich nicht sofort zu einer Anstellung am Otto-von-Taube-Gymnasium. Immerhin, im Publikum saßen einige Lehrerkollegen, mit und ohne Binnen-I (auch so ein Thema, das Laux den Rotstift zücken lässt). Zur besseren Sichtbarmachung ließ der Kollege Kabarettist sie aufstehen, und nein: hier wird jetzt nicht „Aufstand der Lehrer in Gauting“ stehen, denn dieser Gag war doch eher eine Unterdurchschnitte.
Doch zurück zum Thema: der rote Faden im Programm war die bevorstehende Pensionierung des langgedienten Lehrers (derselbe rote Faden also, der sich vor wenigen Tagen auch durch das Programm des Ex-Lehrers und Kabarettisten Hann´s Klaffl zog, doch von diesem so naheliegenden Vergleich später mehr). Olaf Laux, die Bühnenfigur von Schroth, nutzt dies, um Bilanz zu ziehen: die vielen Stunden vor der Klasse, die Zeit im Lehrerzimmer, die Ehe mit Marianne (Erdkunde/Biologie), das ganze gutbürgerliche Untere-Mittelschicht-Leben im Endreihenhaus mit laut vögelnden Nachbarn und Ärgerthemen in der täglichen Tagesschau. Zur Rückschau dieses Lehrers gehört auch, ganz im Sinne der von Kultusministern so gerne geforderten Evaluation, sich mit den Vorurteilen gegenüber dem Lehrerberuf auseinanderzusetzen und beim Publikum dieselben – als kleine Aufgabe für die Pause – abzufragen. So gelangen einige Themen auf die Bühne, die als falsches Vorurteil zu entlarven nicht immer überzeugend gelingt: Lehrer sind nur wegen der Ferien Lehrer, sind ständig krank, können sich nicht durchsetzen, überfordern die Schüler, wissen alles besser bei gleichzeitigem Nicht-Können und so weiter. Altbekannte Vorurteile, die auch nicht durch Fäkalsprache entschärft oder bestätigt werden. „Lehrer sind der letzte Arsch“ ist auf Tafelrückseiten der Klassen 5 – 7 fest eingraviert. „Lehrer sind Kommaficker“ besitzt schon eher Oberstufenniveau.
Schroth alias Laux wird da greifbar und gewinnt Präsenz, wo er dem Zorn des Alt-68ers nachgibt und sein Temperament gewinnt. Einem „vorauseilenden Betroffenheitsgehorsam“ hinsichtlich der Frage nach Gelatine-Provokation in Gummibärchen kann er ebenso wenig etwas abgewinnen wie aufgesetzten Predigertönen von Politikern insbesondere grüner Couleur: „Grünenanhänger und Kampfemanzen können gleich nach Hause gehen!“ schleudert er ins Publikum.
Das bei Kabarettisten fast lückenlos durchexerzierte Spiel mit einem Ansprechpartner in der ersten Reihe beherrscht Schroth ebenfalls ausgezeichnet und beweist hier einigen Charme. Gelungen ist auch das – zwar dicht am Klischee, aber tatsächlich leider so täglich zu beobachtende – Outfit von knallroter Bundfalten-Cordhose zum karierten Hemd – eine klassische Pädagogen-Geschmacksgrätsche.
Vielleicht ist es nicht fair, nun doch den direkten Vergleich zu Hann´s Klaffs neuem Programm zu ziehen. Andererseits: tun Lehrer das nicht ständig? Müssen Schüler sich nicht dauernd anhören, dass es dem Georg in der ersten Reihe doch auch gelungen ist, den Satz „Bis morgen bitte den Faust lesen und eine Zusammenfassung schreiben“ zu verstehen? Vergleichsweise war dieser Lehrer-Kabarettabend eher Grünkohl als Entrecote, war mehr das deftig Bekannte als das fein gewürzt Neue. Vielleicht stimmt das mit dem Erfolg doch nicht so ganz: wer nur Fehler vermeidet, kann nichts mehr entdecken. Bleibt Kommaficker.
 
Sabine Zaplin, 11.12.2015


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Do, 10.12.2015 | © Copyright: Werner Gruban