Nach(t)kritik
Vignetten und Wahnsinn
Veranstaltung: Luisa & Matthias Eberth: "Edgar" nach Werken von Edgar Allan PoeDie Bühne ist beinahe dunkel, gedämpftes Licht nur über dem Flügel links und dem kleinen Tisch rechts. Neben dem Tisch ein Kandelaber. Im Hintergrund auf dem Bühnenprospekt ein Lichtkreis, darin Bilder: die Vignette einer jungen Frau, ein unheimliches Auge, ein Fadengewirr. Eine unheimliche Szenerie, genau richtig für die mysteriösen, unheimlichen Geschichten von Edgar Allan Poe, dem Altmeister der Schwarzen Romantik. Seine literarischen Figuren und die düsteren Visionen, abgrundtiefen Ängste und Obsessionen, die diese bewegen, nehmen Platz in dieser Szenerie, als entstiegen sie direkt dem Kopf von „Edgar“.
Der Schauspieler und Regisseur Matthias Eberth erweckt gemeinsam mit der Musikerin Luisa Eberth, seiner Tochter, und dem Maler Martin Müller die Geschichten und Gedichte Poes zum Leben. Dabei wird Matthias Eberth zu diesem Edgar: vom Tisch aus taucht er tief in die Seelenwelt dieses Imaginierenden ein, spürt stimmgestaltend dessen Phantasien nach und lässt die Nachtwesen, Chimären, Wahnsinnigen Gestalt werden.
Luisa Eberth, die einige von Poes Gedichten vertont hat, schafft mit traumgleichen Balladen, mal jazzigen, mal singer-songwritergleichen Melodien einen Klangteppich, der zum Abheben und Schweben einlädt und gleichzeitig die musikalische Kulisse malt zu den immer gruseliger werdenden Phantasien. Darüberhinaus greift sie auch szenisch ein, wird mal zur jungen Gattin des Malers, dessen künstlerische Besessenheit seiner Frau das Leben nimmt. Gleich der Vignette, die als Projektion im Hintergrund wie ein Menetekel das Vergehen des Lebens vor der Kunst imaginiert, schafft auch Luisa Eberth immer wieder kleine szenische Vignetten, die mal den nahenden Tod ahnen lassen, mal die innere Gewissheit der eigenen Vergänglichkeit illustrieren.
Zusammen geben Luisa und Matthias Eberth einen tiefen Einblick in das Seelenleben von „Edgar“: all die inneren Qualen, die Zerrissenheit zwischen unerfüllter Sehnsucht und der Lust an der Zerstörung werden hier Sprache und Bild zugleich, wobei die Bilder vor allem in den Köpfen der Zuschauerinnen und Zuschauer entstehen dürfen, deren Phantasie hier genügend Nahrung erfährt. Dass Edgar AllanPoe als der Vorläufer von Fantasy und Horror gilt, wird in „Edgar“ auf das Eindrücklichste deutlich. Ein Abend, der auf eindrucksvolle Art beweist, mit wie vielen Sinnen sich Literatur darstellen und erleben lässt.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.