Nach(t)kritik
Von der Pech- zur Glücksmarie
Veranstaltung: Theater Lakritz Berlin: Frau HolleGlück und Pech liegen manchmal sehr nah beisammen - eigentlich kommt es doch nur darauf an, was man aus dem, was man vorfindet, so macht. Die beiden Maries zum Beispiel: die eine, die fleissige, hört das Brot im Ofen rufen und die Äpfel am Baum und hat sehr viel Freude daran, es beim Aufschütteln der Kissen im Frau-Holleschen Haus auf der Erde schneien zu lassen. Und die andere, die als faul gilt, sieht alles ein bisschen entspannter und findet am Ende auch ihren Weg. Vielleicht wird sie eine Schokoladenfabrik eröffnen, denn das Pech, das ihr am Leib zu kleben scheint, entpuppt sich als köstliche Schokolade.
Es kommt nur darauf an, was man aus dem, was man vorfindet, so macht. Nicole Weissbrod vom Theater Lakritz aus Berlin findet eine gemütliche Backstube in Rot mit weißen Punkten vor, mit Mehl, Rührschüssel und allem drum und dran. Was könnte sie hier wunderbar Plätzchen backen. Und was backt sie aus all den schönen Zutaten für ein wunderbares Märchen. In der Regie von Kristina Feix, dem anderen Gründungsmitglied des Theater Lakritz, erzählt sie die Geschichte von Frau Holle mitten in der Backstube. Aus dem Teig werden die beiden Mädchen, später sind sie „frisch gebackene Teenager“ und stapfen als Pfefferküchenmädchen durch die Welt. Das Mehl wird zum Schnee, der aus Frau Holles Fenster schneit. Die Backhandschuhe werden zu Erzählern, die in einen Dialog miteinander treten. Und der weiße Backofen wird zum Haus der Frau Holle, auf dem das Puderzuckersieb den Schornstein bildet.
So eine „Frau Holle“ regt zum Miterzählen an, was die kleinen Gautinger Zuschauer auch kräftig tun. Da wird Empathie nicht nur für die gute Goldmarie, sondern auch für ihre vom Pech verfolgte Schwester geweckt. Und die Frau Holle selber, die angeblich so große Zähne hat, zeigt dieselben durch ein vergrößernd wirkendes Wasserglas und erklärt sofort hinterher: „War doch nur Spaß!“
Erzähltheater, Burleske und Figurenspiel in einem ist diese gelungene Inszenierung. Immer wieder gelingt es, die Balance zwischen frechem Slapstick und verzauberndem Märchen zu halten. Und wenn dann die blankgeriebene Mehlfläche auf dem Backtisch zur Eisbahn wird, auf der ein kleiner Schlittschuhläufer zu bezaubernder Musik seine Runden dreht, dann ist auch noch die Poesie mit im Spiel. Es kommt darauf an, seine Quellen zu nutzen. Nicole Weissbrod und Kristina Feix verstehen eine Menge davon.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.