Nach(t)kritik
Wer kennt die Zukunft?
Veranstaltung: Die Nowak und die Leute aus der Raucherpause: BesinnungstageNiemand weiß so genau, was kommen wird. Besonders an diesem Abend scheint alles möglich und nichts vorhersehbar. Und nur eine weiß zumindest ungefähr, was passieren könnte. So hat sich die Regensburger Künstlerin Rebekka Maier nicht ohne Grund in feinsten Wahrsagerinnen-Zwirn geworfen, Glitzer-Turban inklusive. In ihren Songs, die virtuos mit zärtlichem Knabbern und heftigen Bissen auf die Gegenwart losgehen, gibt sie als „Die Nowak“ Rat, indem sie Fragen stellt und reiht sich damit in die beste Chanson-Tradition ein.
Traditionell ist die Nowak auch in ihrer Themenfindung. Einiges handelt etwa von den Fährnissen der Zweisamkeit und den Umständen, die dazu führen, dass diese Zweisamkeit auch einmal auseinanderbricht. „Ein neuer Tag“ heißt eines der schönsten Lieder des Abends, ein ruhiger Chanson, in dem die Sängerin mit ihrer samtig runden, leicht angerauten Stimme einfühlsam von ihrem E-Piano aus eine Trennung zum Gegenstand macht. Hochmusikalisch macht sie das, kongenial unterstützt von ihrer Band, den „Leuten aus der Raucherpause“, die so musikalisch-aufmerksam und so cool sind, dass man versucht ist, allein aus Sympathie wieder mit dem Rauchen anzufangen.
Das alles ist eine so glückliche Mischung, auch in den schwungvolleren Liedern wie „Ein neues Jahr“ oder dem melancholischen „Grau in Grau“ – ein verloren kreisender Walzer, der im Band-Spiel große Kraft gewinnt – dass das Bühnenprogramm dagegen nicht ankommt. Denn es ist zwar nur nachvollziehbar, dass eine kritisch den Zeitgeist analysierende Gruppe sich auch ökologischen Themen zuwendet, in diesem Fall dem Einwegplastik, wie es in Strohhalmen und Wattestäbchen vorkommt. Nur konsequent ist es, das Verbot dieses Plastiks als lächerlich kleine Maßnahme angesichts der gravierenden Zukunftsprobleme zu brandmarken kraft des Sarkasmus, der sich in einer Zeile wie „Mit der rosaroten Brille macht das Leben viel mehr Spaß“ ausdrückt. Doch dass sich die Nowak vor der Nummer haufenweise Wattestäbchen in die Nase schiebt, fällt gegen das sängerische Niveau deutlich ab. „Sie ist schon sehr schräg“, heißt es da im Publikum. Schräg ja, gelegentlich auch etwas schrill, leider auch willkürlich.
In den Nummern selbst ist das nicht der Fall. Da entwickelt die Nowak die poetische Kraft, für die sie ihre Fans lieben: „Ich lege Blumen auf mein Grab der unfertigen Ideen“, heißt da ein Vers, der auch von Georg Kreisler stammen könnte. Und musikalisch bewegt man sich ohnehin souverän zwischen angejazztem Chanson und bestem Indie-Pop. Würden die Begleitnummern noch etwas gestrafft, dürfte kein Zweifel bestehen: Die Zukunft, wie sie auch sei, gehört der Nowak.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.