Nach(t)kritik
Winterträume vom Frühling
Veranstaltung: Pantaleon Figurentheater: "Tomte Tummetott" nach Astrid LindgrenDie Geschichte vom kleinen, uralten Wichtel Tomte Tummetott hat schon einige Generationen von Kindern durch den Winter begleitet. Die bezaubernde Bilderbuchfassung, erzählt von Astrid Lindgren, ist längst ein Klassiker. Da ist es nicht leicht, mit einer Dramatisierung für Figurentheater die kleinen Zuschauerinnen und Zuschauer aus ihrer vom Vorlesen geprägten Sichtweise hinüberzuholen in ein dreidimensionales und vom Stil her durchaus zeitgemäßes Bühnenspiel.
Dem Pantaleon Figurentheater gelingt dies erstklassig. Das Spiel von Alexander Baginski in der Inszenierung von Martina Quante - beide haben das Theater vor 35 Jahren gegründet - setzt auf Poesie und Witz gleichermaßen. In einem langen dicken weißen Mantel, eine Stall-Laterne in der Hand, umkreist Baginski gleich zu Beginn die spitz aufragende Hütte, hinter der kühles Polarlicht einen Winterhimmel verzaubert. „Eine Wintergeschichte ohne warmen Wintermantel“, beginnt er zu erzählen, „das geht nicht.“ Er zieht den Mantel fester um die frierenden Schultern und wird im Umdrehen zu Alma und Ole, den beiden Bauersleuten. Der Dialog zwischen den beiden ist gleich so humorvoll - „Ich finde das nicht gut, Ole, dass du die Kuh nach mir benannt hast…“ - und charmant, dass Eltern wie Kinder von Beginn an gleichermaßen auf ihre Kosten kommen.
Und so geht es weiter, Etage für Etage die Hütte hinauf, über den Stall mit Pferd und Kuh darin zum Schweinestall bis hoch zur Hühnerfamilie. Alle Tiere träumen vom Frühling, in allen Träumen sind sie federleicht lustig und zu Schabernack aufgelegt. Und immer ist es Tomte, der Troll, der ihnen verspricht: „Viele Winter habe ich schon gesehen, und glaub mir: der Frühling kommt.“
Als der Fuchs auftaucht, hungrig und hühnerlustig, wird es beinahe ein bisschen gruselig. Doch mit einem Liedchen, das den Fuchs ankündigt, hat diese offensichtliche Bedrohung gleich einen spielerischen Charakter, so dass niemand wirklich Angst haben muss. Und auch hier nimmt Tomte Tummetott die Sache in die Hand. „Wir müssen reden, Mikel“, holt er den Fuchs aus der Brisanz-Zone und sorgt dafür, dass dessen Hunger kein Grund mehr sein muss für irgendeine Bedrohung anderer. Ein poetischeres Konfliktlösungsangebot hat man selten gesehen im Kindertheater.
Die gelungene Balance aus ruhiger Erzählweise und frecher Beobachtung ist das Geheimnis dieser wunderbaren Figurentheatergeschichte. Und so hofft man insgeheim, dass der Frühling sich noch lange Zeit lässt.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.