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Nach(t)kritik

Mi, 26.10.2016

Zu Fuß ins Glück

Veranstaltung: Theater mit Hand und Fuß: Der gestiefelte Kater

„Zeigt her eure Füße“  - dieses Lied ist allen Vorschulkindern geläufig. Wie aber aus den eigenen Füßen ein armer Müllerssohn, eine Prinzessin oder gar ein großer böser Zauberer werden können, das hat die Gautinger Zuschauerkinder vollkommen fasziniert. Beim Gastspiel des „Theater mit Hand & Fuß“ der Schauspielerin und Theaterwissenschaftlerin Anne Klinge aus Betzenstein erlebten die Kinder das Märchen vom Gestiefelten Kater einmal anders, sozusagen vom Kopf auf die Füße gestellt.

Zu Beginn schält sich aus einem großen bunten Kleiderhaufen, wie er in jedem Kinderzimmer vor dem Aufräumen zu finden ist, ein Fuß heraus. Der Strecke sich in die Höhe, wackelt mit den Zehen, schüttelt sich und lässt sich von der dazugekommenen Hand eine Nase anheften. Ein Büschel Haare über die Zehen gezogen, ein Hemd übergeworfen, in dessen Ärmel nun beide Hände schlüpfen - fertig ist der arme Müllerbursche. Der klagt nun gewaltig, wie schlecht es ihm seit des Vaters Tod gehe und dass ihm nur der Kater Kasimir geblieben sei. Doch das ist nicht recht: denn eben dieser Kater, der über den verwuschelten Kuscheltierpfoten ein Paar kleine rote Stiefelchen trägt, der kennt - im Gegensatz zu seinem verzagten Herrn - keine Angst und zieht los, für den Müllerburschen und für sich das Glück zu suchen. Auf diese Weise überzeugt er den König, gewinnt die Prinzessin und überlistet sogar den großen bösen Zauberer.

Wie Anne Klinge diese Geschichte einzig mit ihren Füßen - und nur selten mit Unterstützung der Hände - spielt, lässt auch die Erwachsenen staunen. Mit katzengleicher Beweglichkeit agiert sie aus dem Sitzen heraus, lässt mal den einen, mal den anderen Fuß und sogar beide Füße gleichzeitig in die Rollen schlüpfen. Rasch vergessen die kleinen Zuschauer, welch außergewöhnliche Körperteile hier am Werk sind, und lassen sich von der Geschichte fesseln. Kleine Wortspiele wie jenes, dass der Kater so gern die Geschichte von den drei Muskelkatern höre, sind ein Gimmick an die älteren im Publikum. Ansonsten wird das Märchen so erzählt, wie es ist - ohne weiteres Zutun. Und genau das funktioniert.

Anne Klinge hat mit ihrem Fußtheater ein umfangreiches Repertoire auf die Bühne gestellt, darunter neben weiteren Märchen auch Programme für Erwachsene. Das Spannende ist, dass gerade durch das Spiel mit dem Ungewöhnlichen eine Konzentration auf die Geschichte selber, auf das Erzählen gerichtet wird. Die Gautinger Kinder konnten damit eine Menge anfangen. Und wenn darum nun zuhause das Füßewaschen zum Theater werden sollte, ist das unbedingt zu beklatschen.

Sabine Zaplin, 26.10.2016


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.