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Nach(t)kritik

So, 10.05.2015
17.00 Uhr

Zum Bier bei Sabine: Der Maler Stefan Britt

Veranstaltung: Stefan Britt, Maler: Zum Tee bei Sabine
Das Unkonventionelle beim Gautinger Maler Stefan Britt beginnt damit, dass er zum Tee bei Sabine erst mal ein Bier trinkt: Dann lässt der 89-jährige ein lockeres "Hallo, Leute!" hören, und es kann los gehen. Gastgeberin Sabine Zaplin und später auch die einbezogenen Zuhörer des "Tee-Gesprächs" werden rund eine Stunde lang versuchen, Britts abwechslungsreiches Leben wenigstens stichpunktartig einzufangen, aber das ist gar nicht so einfach, weil Britt ein wenig "Katz und Maus" spielt mit seinem Publikum: 1926 geboren und als Siebenjähriger von Österreich mit den Eltern nach Gauting gekommen war er. Der Vater suchte dringend Arbeit, und man fand in der Nähe des Sommerbades 1933 ein Haus, das man dank eines erfolgreich bestrittenen Künstlerwettbewerbs anzahlen konnte - in der damals neu geschaffenen Arbeiter-Siedlung lebt Britt noch heute und sagt: "Arm sind die Leute nicht mehr." Ob die Eltern eher konservativ gewesen seien, fragt Zaplin vorsichtig, und der Gast verneint: "Konservativ? Meine Mutter war nie konservativ. Sie hatte die sehr nützliche Freiheit, sich künstlerisch zu betätigen." Der Sohn durfte dies noch nicht - mit 16 Jahren wurde er zur Wehrmacht eingezogen, geriet in weißrussische Kriegsgefangenschaft, meint aber rückblickend: "Ich kam über gut zurecht, außer mit ein paar deutschen Vorgesetzten."
Britt strahlt bis heute eine zähe Physis aus, was Sabine Zaplin zu der Bemerkung veranlasst, er habe "etwas Asketisches" an sich. Britt reagiert auf Versuche, ihn und seinen Werdegang zu beschreiben, gerne mit einem entwaffnenden "Aha": Soll wohl heißen, die Dinge seien im Leben immer auf ihn zu gekommen und nicht umgekehrt. Nach dem Krieg hatte er unter dem Eindruck von Hiroshima zunächst die Wunsch-vorstellung gehabt, Atomphysik zu studieren, doch es sollte ganz anders kommen, schon weil man damals "andere Sorgen" hatte, nämlich die Existenzsicherung. Dies führte Britt bald zu den verschiedensten Tätigkeiten, u.a. schloss er sich als Plakatmaler für einen Wanderzirkus zeitweilig sogar fahrenden Leuten an: "Ich hatte überhaupt keine Schwierigkeiten, Arbeit zu finden, weil ich nicht hypnotisiert war auf ein bestimmtes Ziel." Hypnotisiert, nicht nur "fokussiert" also. Britt spricht von einer Phase des "Rumzigeunerns". Ein Semester Kunsthochschule sollte auch noch hinzu kommen, und eine Zeit in einem Dorf bei Salzburg, wo er bei einem Fest in Künstlerkreisen eines Tages seine aus Kanada stammende Frau, eine Lehrerin, kennen lernte. Britt fasst dieses wichtige Zusammentreffen bündig so zusammen: "Sie hat gemeint, ich biete ihr meinen Platz an - und da ist sie im weiteren Sinne dann immer sitzen geblieben."
Zu Beginn der siebziger Jahre wurde Britt dann eher zufällig zur Keimzelle des Gautinger Kunstvereins. Unweit der Stelle, wo heute das Rathaus steht, mietete der Maler Britt eine Art Kiosk an, der sich bald zum künstlerischen Treffpunkt entwickeln sollte - nur ein Kamel passte mal nicht hinein, wie die Zeitungen damals schrieben. Wieder war also irgendwie Zirkus rund um Stefan Britt. Als ihn einige ältere Damen auf Jahreszahlen festlegen wollen, um der Erinnerung auf die Sprünge zu helfen, sagt er: "Fragt mich nicht nach Zahlen!" Auch die Erörterung, was dieser Kunstverein denn in den "wilden Siebzigern" bedeutet habe, bleibt vage: "Da sammelten sich Leute, die sich einbildeten, was mit Kunst zu tun zu haben." Ja, politisch seien Viele schon drauf gewesen, so der damals für die SPD werbende Maler, der sagt: "Damals gab es ja nichts Linkeres, das auch noch öffentliche Wirkung erzielte." Einigen war die Vermengung mit künstlerischen Zielen doch supekt - Tommy Niederreuter etwa, dem Antipoden Britts in jener Zeit. Aus dem Teestunden-Publikum werden Namen weiterer Künstler aus jener Zeit zugerufen; Britt sagte einmal: "Ach ja, der Kleemann, natürlich...", geht dann aber doch nicht mehr auf diese lange zurückliegende Zeit ein.
Überhaupt scheint der 89-Jährige die meisten Dinge bereits hinter sich gelassen, auf eine souveräne Art regelrecht abgestreift zu haben: Was soll er heute noch zu Bildern und dem darin enthaltenen Motiv-Reichtum sagen? Seine einstigen Gedanken und Beweggründe nachträglich etwa erklären? Welchen Einfluss Britt auf die einstige "Szene" gehabt haben muss, lässt sich dennoch erahnen: Er sei sensibel, andererseits aber auch ziemlich direkt gewesen, erinnern sich mehrere Zuhörer. Bei Vernissagen muss es regelrecht zu Turbulenzen gekommen sein, die "wilden Siebziger" halt, und mitten drin: Stefan Britt. Der entgegnet immer wieder sein "Aha?", als wundere er sich im Nachhinein, was er so alles auf die Beine gestellt haben soll in seinem langen Leben. Dass Gemälde von ihm heute u.a. in einer Zahnarztpraxis und einem Friseurladen zu sehen sind, kommentiert er so: "Die hängen halt in diesem Laden gegen die Zahnschmerzen." Und die Friseure seien eben "nette Leute". Stefan Britt sagt, er habe sich immer eher für interessante Menschen interessiert, weniger für Programmatisches. Dennoch ist seine politische Heimat heute der Ortsverband der "Linken" in Starnberg, denn in Gauting gibt es keinen. Die Produktivität als Maler: "Ist weniger geworden, was soll ich denn noch beweisen müssen?", sagt Britt, "es ist halt nicht mehr so, dass ich unbedingt was los werden muss." Viel mehr interessierten ihn auch weiterhin die Verbindungen zu bestimmten Menschen. Zu einer Mal-Schülerin etwa: "Von der lerne ich sogar was."
Thomas Lochte, 10.05.2015


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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So, 10.05.2015 | © Fotograf: Werner Gruban