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Presse

Stay gschmeidig!

Erschienen in:   Süddeutsche Zeitung - Starnberg

Indie-Folk und Indie-Pop sind für Zuhörer oft eine musikalische Wundertüte. Die Gruppe „Impala Ray“ und Solo-Künstler „plaush.“ entzücken das Publikum im Gautinger Kulturzentrum Bosco mit einem Konzert, das auf ihre Anfänge als Straßenmusiker verweist.
 

Selten zuvor war das Publikum im Gautinger Bosco so zweigeteilt wie beim jüngsten Samstagskonzert: Vor der Bühne im Parkett um eine Freifläche herum und zwischen kerzenbeleuchteten Bistrotischen waren die Fans von Impala Ray bereit, sich einen Platz zu erobern. Hinten auf den Rängen experimentierfreudige Musikdurstige, die wohl nicht so recht wussten, was sie erwartet. Denn: Wo Indie, also Independent draufsteht, weiß man nie, was drin ist. Gewiss ist nur: Es passt in keine Schublade. Für die Musiker galt es also, die Hinterbänkler zu erobern. Ein schwieriges Unterfangen schon allein aufgrund der räumlichen Distanz. Doch am Ende gab es auch einige Überläufer.

Der Abend war zweigeteilt, die Augsburger Band plaush. leistete Vorarbeit. Eine gute Wahl, denn Jan Plausteiner ist ein überaus kontaktfreudiger Stimmungsmacher und als Ein-Mann-Band mit Indie-Folk-Pop im doppelten Sinne independent. Wer sich jetzt einen einsamen Singer-Songwriter mit Gitarre verloren auf großer Bühne vorstellt, liegt aber daneben. Denn plaush. ist nicht nur eine amorphe Energiesphäre, die irgendwie diffundiert, sondern auch als zeitgemäßer Musiker mit allen Finessen elektronischer Hilfsmittel ausgestattet. Er spielt mit den Füßen Bassdrum oder Percussion, vervielfältigt sich selbst als Backgroundsänger, reproduziert live Eingespieltes als Background oder unterlegt im Studio aufwendig Vorproduziertes. Doch bestimmend blieb stets ein gewandtes, funky getuntes Spiel der akustischen Gitarre und ein ehrlicher, zuweilen geradezu inbrünstiger Gesang – mal abgesehen von einer Kazoo-Einlage als dezenter Hinweis auf die Anfänge in der Straßenmusik.

Auch die Musiker von Impala Ray verwiesen auf ihre Anfänge – allerdings auf eine höchst originelle Art: unplugged mit Minimalausstattung, ohne Mikrofon vor der Bühne, also direkt in Tuchfühlung zu ihren Fans. „So fing alles an“, berichtete Gitarrist und Leadsänger Rainer „Ray“ Gärtner – die Impala-Antilope kam nach einer Afrikareise hinzu. 2012 überarbeiteten die grazil tänzelnde Tuba-Spielerin Nicola Missel und er aus Mangel an Übungsraum in einem Münchner Waschsalon ihr Repertoire. Eine Waschsalon-Party soll dank Ankündigung in den sozialen Medien ein voller Erfolg gewesen sein. In dieser Besetzung ist Indie im Grunde schon programmiert, zumal Missels Spiel nichts mit Volksmusik-Gebrumme zu tun hat. Sie versteht es, das Instrument zum Singen zu bringen, tiefe Soundscapes auszubreiten, Melodien zu spinnen, es aber auch packend grooven zu lassen. Und dies, ohne außer Atem zu geraten, denn schließlich hat sie auch die zweite Stimme zu singen.

Mit einer solchen Basissubstanz konnte Gärtner nach Belieben zaubern und eine kraftvolle Show abziehen, die nur besonders Hartgesottene nicht aus den Stühlen zu reißen vermochte. Mit Schlagwerker Dominik Haider ist das Trio indes nicht nur in rhythmischer Hinsicht komplett. Haider hämmert bisweilen – manchmal mit Paukenschlägen weich auf Trommeln, manchmal auch spröde mit Sticks auf Metall geradezu in die Eingeweide der Zuhörer. Das ist ein Mittel in Tiefen vorzudringen, wo die Zuhörer auch emotional am leichtesten zu erreichen sind. Wohl deshalb musste sich denn auch die Dramaturgie der Songs mehrmals bis hin zu gewaltigen Klangfluten emporschwingen. Ein Effekt, mit dem das Trio nicht geizte, den es aber auch geschickt zu inszenieren verstand.

Pausenlose Fülle ermüdet schnell, deshalb sind Rücknahmen und Abwechslung unverzichtbar. Etwa textlos-abstrakter A-cappella-Gesang, mit Vorliebe im Wechsel mit dem Publikum, was wiederum die Verbindung intensivierte. Einprägsame Motive und Melodien gehören ebenso zum Konzept, in dem es oft um Variationen und vielfältige Auslegungen derselben Materie ging. Der Wiedererkennungseffekt sorgt für entspanntes Zuhören, sodass man sich gerne unbeschwert zu sehnsuchtsvoll-hymnischen Höhenflügen mitreißen lässt. Ob in „Old Mill Valley“ (nach dem Altmühltal benannt) oder dem Radio-Hit von 2016 „Stay“: Es wirkt. Selbst unplugged in der Zugabe des dritten Albums „Jangwar Summers“ mit den Titeln „New Shoes“ und „Neon Skies“. Was letztlich an der grundsätzlichen Lebensphilosophie der Band liegt, die da heißt: Stay gschmeidig! Auf Deutsch: Das Leben intensiv auskosten und unbeschwert in vollen Zügen genießen.

18.03.2025, Reinhard Palmer