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Presse

 

Verzweiflung pur

Erschienen in:   Starnberger Merkur
Veranstaltung:Winterreise

Schuberts „Winterreise“ erklingt im Bosco in ungewohnter Fassung

Gauting – Mit Franz Schuberts Liederzyklus „Winterreise“ verzauberten der in Gauting lebende Bariton Florian Prey und Pianistin Lauriane Follonier bei der Aufführung am Sonntagabend das Publikum im fast ausgebuchten Bosco. In der neuen Variante des Arrangeurs Gregor Meyer vermittelte der von Florian Drexel exzellent geführte Kammerchor des „collegium:bratananium“ die Seelenqualen des einsamen jungen Wanderers, der seine Liebste verlassen muss, musikalisch auf hohem Niveau. Der im Würmtal aufgewachsene Bass-Sänger war erstmals in der Rolle des Gastdirigenten zu erleben.

Ein Jahr vor seinem Tod, im Herbst 1827, vollendete Schubert diesen Liederzyklus nach Texten von Wilhelm Müller. Ein Zyklus „schauerlicher Gesänge“, wie der Komponist an seine Freunde schrieb. Er umfasst 24 Lieder für Singstimme und Klavier. Es geht um einen unglücklichen Mann, der von seiner Geliebten verlassen worden ist und sich auf den Weg macht. Nachts bricht er auf und will alles hinter sich lassen. Doch es fällt ihm nicht leicht. Immer wieder schwelgt er in Erinnerung an glücklichere Tage.

„Gute Nacht“: Mit einem der wohl bekanntesten Lieder der Romantik beginnt der Zyklus. Die abgrundtiefe Verzweiflung des Sängers („Mein Liebchen, gute Nacht“) erklang mit zurückhaltender Klavierbegleitung von Lauriane Follonier. Der Kammerchor ergänzte melancholisch sein „An Dich hab ich gedacht“ bei der Gautinger Aufführung absolut stimmig. Mit dem „Gute Nacht“-Lied im verzweifelten Marschrhythmus beginnt das langsame Abschiednehmen der „Winterreise“ mit sinnlosem Wandern durch Eis und Schnee.

Kurz keimt für den Wanderer Hoffnung auf, und zwar in einem weiteren berühmten Lied, dem „Lindenbaum“, der am Brunnen vor dem Tore steht. Florian Prey, künstlerischer Leiter von Musikfestivals wie dem in der Schlosspark-Remise und bekanntlich Sohn des Baritons Hermann Prey, sowie der Kammerchor und die Pianistin interpretierten das kurz aufkeimende Glück des ziellosen Wanderers überzeugend. Doch es ist nicht von Dauer.

Tief ergreifend erklang zum Finale „Der Leiermann“. Dieser wankt barfuß hinter dem Dorf auf dem Eis. Niemand beachtet ihn, nur die Hunde knurren ihn an. Dennoch dreht er weiter an seiner Leier, führt monoton seine Arbeit aus, und der Wanderer fragt sich, ob er mit ihm gehen und zu seiner Drehleier singen soll. Die Frage „Wunderlicher Alter, soll ich mit Dir gehen?“ ist pure Hoffnungslosigkeit. Lange ist Stille im Bosco, bevor der verdiente Applaus für eine packende Aufführung aufbrandete.

28.11.2025, Christine Cless-Wesle