Es gibt Momente im Leben von Musikern, deren tatsächliche Bedeutung sie erst Jahre später abschätzen können. Bei Adam Bałdych war es ein Treffen mit einem jungen, ihn verehrenden österreichischen Instrumentenbauer, der ihm eine Renaissance-Geige anbot. Er hatte sie kurz zuvor aus historischen Quellen rekonstruiert und nachgebildet. Sie war, stellte sich heraus, sein erstes ernst zu nehmendes Instrument, ein Meisterstück einerseits und außerdem ein Unikat. Adam Bałdych kaufte sie ihm ab und war begeistert. Der junge Mann aber verschwand bald darauf von der Bildfläche und baute fortan, trotz zahlreicher Anfragen, keine Renaissance-Geigen mehr. Die eine ungewöhnliche Violine bleibt sein frühzeitiges Vermächtnis und sie veränderte die Musik von Adam Bałdych. Denn sie ist eine Sept tiefer gestimmt als übliche Instrumente, hat ungewohnte Farben und eröffnet neue klangliche Räume. Man muss und kann sie anders als eine klassische Geige spielen und Adam Bałdych ergreift seitdem die Gelegenheit, sich mit ihr in musikalische Regionen zu bewegen, die sonst nicht erreichbar wären.
Dabei erweist sich das Duo mit dem norwegischen Pianisten Helge Lien als idealer Spielraum für Experimente. Seit mehr als einem Jahrzehnt arbeiten die beiden Musiker in verschiedenen, meist größeren Besetzungen zusammen. Sie kennen die jeweiligen Vorlieben für Höhenflüge und Rücknahmen und können sich umgarnen, antreiben, ergänzen. Und sie lassen sich gegenseitig den nötigen Raum, um sich zu entfalten. Helge Lien ist ein Melodiker mit markanter linker Hand, dem es Spaß macht, auch die Stelle des Bassisten mit wuchtigen Linien und flirrenden rhythmischen Mustern zu besetzen. Er ist ein Poet in feinen Passagen, perlend in Läufen, entgegenkommend sanft im harmonischen Fundament. Er fordert den Steinway im Bosco klangfarblich heraus und genießt es hörbar, dass der Flügel seinen Ansprüchen an die pianistische Vielfalt auch genügen kann. Damit schafft er die Basis für einen improvisierenden Dialog, der sich über das Konzert hinweg immer weiter verdichtet.
Denn die Möglichkeiten der ungewöhnlichen Geige im Duo-Gespräch sind das eine. Sie zu nutzen ist aber noch etwas anderes. Adam Bałdych greift dafür auf sein breites klassisches Ausdrucksfundament zurück und geht von dort aus einige Schritte weiter. Sein Instrument wird zwischenzeitlich zur Mandoline, zur Gitarre, zum Cello. Man ahnt die Farben einer Oud, manchmal auch afrikanischer Lauten. Adam Bałdych verwendet den Bogen als Percussion-Stick, bis die Bespannung ausfranst, phrasiert funky oder folkgeprägt, schweift in weite, wilde Improvisationen aus, um bald darauf wieder in kleine Melodien oder auch sich auflösende, nur auf den Saiten angedeutete, rau gestrichene Motive zurück zu finden. Immer wieder kommt auch seine klassische Geige zum Einsatz. Der eigentliche Star aber ist das rätselhafte Renaissance-Instrument, das Adam Bałdych Chancen bietet, frühere Beschränkungen hinter sich zu lassen. Manchmal gibt es diese Momente im Leben eines Musikers, die Türen öffnen. Und zuweilen hat das Publikum auch das Glück, ein Teil davon sein zu dürfen.