„Seit Februar der erste Konzertabend im Inneren eines Gebäudes“, sagt Bandleader Rainer Sander über dieses betrübliche Corona-Jahr mit stornierten Auftritten. Umso mehr freuten sich die etwa 80 Zuhörer*innen im weiträumig bestuhlten Gautinger bosco-Saal am Sonntagabend über die grenzenlose Spiellust der schon legendären Allotria Jazzband. Beim „Heimspiel“ mit dem ortsbekannten Gautinger Bassisten Peter Cischeck riss die erstklassige Schwabinger Jazz-Band mit den hervorragenden vier Bläsern, den Top-Musikern Thilo Wagner (Piano) und Gregor Beck (Schlagzeug) ihre Fans so richtig mit:
Dixie-Jazz, Ragtime, Swing, Boogie Woogie und Blues vom Feinsten. Bei Live-Auftritten der vor einem halben Jahrhundert von Trompeter Gerhard Vohwinkel in Schwabing gegründeten Formation „Allotria Jazzband“ zuckt das Tanzbein – bis heute. Im Gautinger bosco-Saal saßen auch inzwischen weißhaarige begeisterte Zuhörer*innen, die die legendäre „Allotria“ schon in ihren Anfängen erlebt hatten. Zum Beispiel der Gautinger Kunstmaler Richie Eckert, der die erstklassige Münchner Dixie-Band, die bis Mitte der 1980er-Jahre im Schwabinger Podium auftrat, schon bei ihren ersten Schallplattenverträgen begleitet hatte. Doch davon wird noch später die Rede sein.
Mit rhythmischem Ragtime begeistert das Septett gleich zum Auftakt. Rainer Sander, Ur-Bandleader seit 1982 und im Hauptberuf eigentlich Gastroenterologe bläst astrein die Klarinette. Der rhythmische Sound wechselt zur Posaune (Mathias Götz), zum Schlagzeuger Gregor Beck und landet beim Piano (Thilo Wagner). Das Publikum ist von den „Blue Notes“ der weißen Jazz-Musiker in ihren dunklen Anzügen auf der blau ausgeleuchteten bosco-Bühne sofort inspiriert. Entspannte Gesichter, im Rhythmus mitwippende Schuhe.
Mit „The Touch of Your Lips“ folgt Blues vom Feinsten mit dem exzellenten Pianisten Thilo Wagner.
„All the Cats Join In“: Mit dem melodiösen eingängigen Titelsong aus der aktuellen CD hat die aktuelle Formation der „Allotria-Jazzband“ ihr Gautinger Publikum endgültig im Sack. Der vielseitige Bandleader Rainer Sander begeistert mit einem astreinen Saxophon-Solo, das über Trompeten, Piano, Percussion vollends beim hervorragenden Bassisten endet: Sonderapplaus für Peter Cischeck bei diesem Gautinger „Heimspiel.“
Extra-Beifall: In wunderschönen, temporeich hingelegten, geradezu treibenden Kaskaden bietet der Ausnahme-Pianist Thilo Wagner, der seit 1998 bei der „Allotria“ mit dabei ist, den Titel „Them their Eyes.“
Die Arrangements der Band komponiert Trompeter Colin T. Dawson: Der Brite ist ebenfalls schon seit 1988 bei der „Allotria“, verrät Bandleader Rainer Sander. Und weil der hauptberufliche Top-Schlagzeuger in Corona-Zeiten „nichts zum Spielen hatte“, musste er sich leider vorübergehend wieder aufs Malen verlegen.
„Wir sind sehr dankbar, dass dieser Gautinger Auftritt überhaupt stattgefunden hat“ – dank des Einsatzes „von unserem Bassisten Peter Cischeck“, freut sich Rainer Sander schließlich.
„Stars fell on Alabama“. Blues vom Feinsten mit dem Alt-Saxophon von Rainer Sander und traumhaft gespielter, melancholischer Posaune (Mathias Götz) folgt.
Ein musikalisches Highlight wird der dahinjagende „Woodwind-Blues“ mit treibendem Schlagzeug.
Mit im Affenzahn gebotenem Ragtime kehrt die Allotria Jazzband auf der Gautinger bosco-Bühne zurück zu ihren Anfängen. Juhu-Rufe fürs Solo von Peter Cischeck bei diesem genialen Gautinger „Heimspiel.“
Absolut mitreißend bietet die Formation den Swing des „Arcadia Shuffle“ von Trompeter Roy Eldrige.
„If I'm Lucky I'll Be The One“: Den Song von Carmen Mc Grey hat der britische Trompeter Colin T. Dawson in der reichen Plattensammlung seines verstorbenen Vaters entdeckt: Im bosco singt Dawson das für die Jazzband umgemodelte Lied mit wunderschönem Timbre.
Als die Enkelin den neu eingespielten Song ihrer inzwischen 95jährigen Großmutter auf der aktuellen Allotria-CD hörte, dankte die New Yorkerin der Band, erzählt Leader Rainer Sander.
Überraschung: Der mit Humor gesegnete Gautinger Künstler Richie Eckert serviert den Musikern zum Finale Apfelkorn – wie einst im Schwabinger Podium.
Da läuft die Band mit dem mitreißenden Song „Sing, Sing, Sing “ nochmals zur großen Form auf. Mit dem Tanz-Lied brachte nämlich schon der legendäre Benny Goodman 1938 die Carnegie Hall zur Explosion.
Mit dem als Zugabe herbeigeklatschten wehmütigen Titel „Every time we say good bye“ verabschiedet sich die kongeniale Combo aus Gauting, denn: „Wir wissen nicht, wann wir uns hier beim Konzert wiedersehen“, blickt Mediziner und Bandleader Rainer Sander betrübt auf die gerade steigenden Infektionszahlen, aber: „If I`m lucky“ gibt`s ja glücklicherweise auch auf der neuen Allotria-CD.