Andi Kissenbeck sagt von sich, er führe manchmal Selbstgespräche, und die mitunter auch noch mit amerikanischem Akzent. Vielleicht erklärt sich ja auf diese Weise der Name seiner derzeit auf Tour befindlichen Formation: „Andi Kissenbeck´s Club Boogaloo“ geht zumindest laut Wikipedia auf eine in den Jahren 1966 bis 1969 „vor allem in New York“ populäre Spielart des Jazz zurück, die man auch als Variante des Hardbop bezeichnen könnte. Im Bosco führte Kissenbeck allerdings keine Selbstgespräche mit amerikanischem Akzent, sondern plauderte zwischen den Stücken ziemlich offen über einige Reise-Erlebnisse, die er zu Musik, ja sogar einer ganzen CD verarbeitet hat: „Monsoon Dance“ heißt diese Scheibe, und die Titelnummer dazu geht auf einen reichlich verregneten Thailand-Aufenthalt zurück, bei dem der Andi „viel Zeit zum Komponieren“ hatte. Zum Konzert hatte Kissenbeck nun sozusagen die denkbar besten „Reisebegleiter“ mitgebracht – den Gitarristen Norbert Scholly aus Köln, den aus Darmstadt kommenden Drummer Tobias Backhaus sowie mit dem Tenorsaxophon-Zauberer Peter Weniger einen der zumindest hierzulande renommiertesten seines Fachs. Hammond-B 3-Organist Kissenbeck brauchte bei derart konzentriertem technischen Niveau also „bloß“ noch jene eigenhändig in Kompositionen gegossenen Elemente heraufzubeschwören, die den speziellen Stil des „Club Boogaloo“ ausmachen: Akzentuiertes Gebläse, meist hohes Tempo, durchgängiger Groove. War es im ersten Teil des Abends stimmungsmäßig noch ein bisschen viel „Monsun“ mit gleichwohl exzellenten Einzelleistungen, so flutschte es nach der Pause noch um einiges dynamischer – und auch abwechslungsreicher: Ein versponnenes Stück wie „Blessed Bliss“ hatte Kissenbeck mit der Erinnerung an eine Fastenkur in Dubai bei 45 Grad Celsius in Verbindung gebracht. Die damals offenbar durchlebten Kreislaufschwächen müssen in den Momenten vor dem Kollaps regelrecht spirituelle Erfahrungen gewesen sein, wenn man dem Meister glauben darf. Gottseidank kontrastierten die Kompositionen im zweiten Teil des Abends etwas mehr, so dass dem Erleben des „Wegsackens“ vor der Pause danach sogleich die eher entfesselte Nummer „Ashley Blue“ des von Kissenbeck sehr geschätzten Orgel-Kollegen Joey di Francesco folgte – eine Komposition, die allen Einzelinstrumenten schön demokratisch die Gelegenheit bietet, sich zu zeigen, bis sich mit der zweiten vom Schlagzeug dominierten Passage der Kreis schließt. Nun ist es freilich auch Geschmackssache, ob sich in allzu vielen Stücken in geradezu alttestamentarischer Weise der immer gleiche Solo-Reigen abspielen muss, artig beklatscht, aber auch in seiner Wirkung recht absehbar. Hier ist der „Club Boogaloo“ recht konventionell unterwegs, obwohl die vier Musiker jederzeit das Zeug haben, die späten „Sechziger“ mit frischer Farbe auszumalen: Allein Peter Weniger schafft fast jedes Mal ein eigenes Kunstwerk inmitten all der Disziplin, von „zartem Brotaufstrich“ bis zu „dicker Hose“ bzw. großer (Saxofon-)Klappe hat der Wahlberliner alles drauf; und auch Scholly nutzt den sich bietenden Spielraum, wenn er denn die Gelegenheit dazu bekommt. Die Titel der Stücke verraten freilich auch einiges über die Lust am Experiment, zumindest beim vermeintlich so „braven“ Kissenbeck: „Wrex´n Fry“, was angeblich so viel wie Schiffbruch und Fischbrut bedeutet, führt den Globetrotter zu der Anekdote vom Beifahrer zurück, der dem am Steuer Sitzenden zuruft: „Rechts ist frei!“ - natürlich wieder mit amerikanischem Akzent. Oder die Schnurre vom Taucher, der eines Tages inmitten eines Waldbrandgebiets tot aufgefunden wird: Die Legende, wonach ein Löschflugzeug diesen beim Wassertanken aus einem See gesogen und dann abgeworfen hat, sie sei zwar ein durchs Internet geisterndes Märchen, erzählt der Andi, aber zu seiner Komposition „Dead Diver“ habe sie ihn immer noch inspiriert. So rundet sich der Bosco-Abend doch noch, mit klassischen Covernummern, einer wunderbar feinen Eigenkomposition namens „Waiting For The Sunrise“ und einer Hardbop-Hommage, die an den Big Apple um 1970 erinnert – an Krimiserien, in denen der Held ein Schwarzer war und „Shaft“ hieß. Auch der sprach Akzent, aber wohl den aus Harlem.