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Veranstaltungsinfo

Do, 09.11.2023
20.00 Uhr
Jazz

24,00 / 12,00

Regulär / bis 25 Jahre

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Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Andreas Schaerer & Kalle Kalima: Evolution

Think outside the (Beat)Box! Für ihr Projekt ‚Evolution‘ haben sich die beiden Musiker neu erfunden: Bisher hat der Schweizer Stimmakrobat Andreas Schaerer vor allem mit Lauten gemalt, jetzt will er eigenen Inhalten mit seiner Stimme Gewicht verleihen. Und der finnische Gitarrist und Anarcho-Jazzer Kalle Kalima steuert statt schwindelerregender technischer Höhenflüge nun Gefühlstiefe an.

Wer sehnt sich dieser Tage nicht nach Klarheit, Ruhe, Frieden… Wir wissen mittlerweile alle, dass es keine einfachen Antworten für die komplexen Probleme unserer Zeit gibt, ABER: es gibt einfache Melodien die an unsere Sinnlichkeit, an unser Mensch-sein appellieren, die durch ihre Schlichtheit Räume öffnen. Geschichten, die sich wie eine warme Decke über den mental overload in unserem Hirn legen. Und so schenkt uns die Musik Kraft, die nachhallt.

Andreas Schaerer und Kalle Kalima haben sich für ihr neues Projekt ‚Evolution‘ neu erfunden. Normalerweise gehören zeitgenössischer Jazz und elektronische Musik zu ihren Spielwiesen. Durchaus musikalischer Spitzensport, wenn man ihn so ernsthaft betreibt wie die Beiden: Seit zehn Jahren stehen sie zusammen auf der Bühne, unter anderem mit dem Quartett „A Novel Of Anomaly“. Besonders für den Stimmkünstler Schaerer, der durch sein kreatives Beatboxing und seiner Band „Hildegard Lernt Fliegen“ Aufmerksamkeit erlangte, waren perfekte Körperbeherrschung und auf Kommando abrufbarer Einfallsreichtum normaler Bühnenalltag.

Und jetzt: „Four Chords and the Truth“? Nein. Aber vielleicht „Twisted Jazzcore Ballades“, denn es sind tatsächlich Balladen, die Andreas Schaerer, Kalle Kalima und Essi Kalima geschrieben haben. Es geht um Selbstoptimierung, wie in “Multitasking”, um Obessionen, wie in „Piercing Love“, um Science-Fiction-Träume und natürlich auch um Liebe und Verlust. Interessant daran ist die Zwischenwelt, in der die Songs spielen, als würde Henry David Thoreau in einer von James Cameron`s Fantasiewäldern herumirren.

Musikalisch wagen die Zwei dabei viel. Bisher hat Schaerer vor allem mit Lauten gemalt, jetzt will er eigenen Inhalten mit seiner Stimme Gewicht verleihen. Und Kalima steuert statt schwindelerregender technischer Höhenflüge nun Gefühlstiefe an. Für dieses Projekt nehmen beide kurzzeitig Abschied von der Perfektion und von der Überholspur und kehren ihr Innerstes nach außen. Ganz nach dem Motto: Think outside the (Beat)Box!

ANDREAS SCHAERER, vocals,  beatboxing
KALLE KALIMA, guitar

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Nach(t)kritik
Ganz gewiss nicht unterkomplex
Nach(t)kritik von Andreas Pernpeintner

Um dieses Konzert des Duos Andreas Schaerer & Kalle Kalima (Vocals und Gitarre) im Gautinger Bosco angemessen würdigen zu können, muss man sich ins Gedächtnis rufen, was Sänger Andreas Schaerer relativ zu Beginn des Abends in einer seiner charmanten Moderationen sagt: Die Musik, die die beiden im Rahmen ihres selbstkomponierten Programms „Evolution“ spielen, sei eine Art Erholung von den musikalisch komplexen Projekten, die sie zuletzt gestemmt haben. Auf den Auftritt zurückblickend, bringt einem das die Erkenntnis: Wenn „Evolution“ die vergleichsweise unterkomplexe Form dessen ist, was der Schweizer Andreas Schaerer und der finnische Gitarrist Kalle Kalima zuwege bringen, dann möchte man sich vor den komplexen Formen ihrer Kunst beinahe fürchten. Denn unterkomplex ist so ziemlich das unpassendste Wort, das man über „Evolution“ verlieren könnte.

Es ist hinreißend, welchen musikalischen Zauber die beiden erschaffen. Mit E-Gitarre und mit der menschlichen Stimme. Schaerer als Sänger zu bezeichnen, greift zu kurz. Sicherlich, er singt hervorragend, changiert farbig zwischen volltragender Brust- und Kopfstimme, lässt die Stimme frei zur Entfaltung kommen, wenn seine Ausdruckskraft sich ins Spirituelle oder Folkloristische aufschwingt; er verleiht ihr mitunter fast sakrale Kühle, lässt sie sinnieren, schweben, lodern und flüstern. Doch das ist bei weitem nicht alles. Zu seiner Vokalkunst gehört auch Vocal-Percussion, gehört das stimmliche Imitieren von Instrumenten. Gut, könnte man einwenden, das machen andere auch: Vocal-Percussion – vokaler Bass-Groove inklusive – haben viele A-Cappella-Gruppen im Repertoire. Und mit der menschlichen Stimme Instrumente nachzubilden, das haben die Comedian Harmonists schon auf knisternden Schellackplatten gemacht.

Bei Schaerer aber hat all das eine besondere Qualität. Nicht nur, dass einem bei ihm die ‚Instrumente‘ besonders lebendig erscheinen wollen (zumal er in ungekünsteltem gestischem Fluss auch die Spielbewegungen nachvollzieht). Nicht nur, dass der ‚instrumentale‘ Klangfarbenreichtum, der sogar Schalldämpfereffekte beim Trompetenspiel einschließt, in seinen Imitationen besonders facettenreich ist. Nein, was so verblüfft, ist: Schaerer lässt diese Ebenen einander manchmal derart dicht abwechseln, dass der Eindruck entsteht, sie würden sich überlagern und gleichzeitig erklingen. Gesang, Rhythmus, Instrumentalstimme. Umwerfend.

Die Gitarre erweitert diese Orchestrierung zusätzlich. Auch Kalima spielt sein Instrument so, dass es ein breites Spektrum abdeckt: vom Bassinstrument über bewegte Akkordmuster bis hin zu Flageolett-Oberstimmen und – bei einer der Zugaben – metallischen Repetitionen, wenn die Saiten mit einem dünnen Metallstab angeschlagen werden. Und in manchen Augenblicken darf es auch ein hart verzerrter Sound sein, darf die Gitarre zu einem mächtigen Schlagzeug-Beat von Schaerers Lippen echten Grunge-Sound verbreiten. Das ist ein hervorragender Kontrast, denn meistens begeben sich die beiden auf die Suche nach Eleganz und nach dezidiert ästhetischen Klängen.

In diesem Anspruch von klanglicher Anmut sind sich die Titel oft sehr ähnlich, auch im gewählten Grundtempo. Da die hierfür angewandten Ausdrucksmittel aber derart vielfältig sind, da fast nichts an diesen Songs simpel gestrickt ist (gewiss nicht die Rhythmik, definitiv nicht die Harmonik, schon gleich nicht die Melodik und die Texte) und da alles von Kalimas Fingern mit überlegener Übersicht und aus Schaerers Kehle mit sichtlicher Freude am eigenen Tun vorgetragen wird, trägt dieses Konzept eines elektrisch verstärkten Impressionismus (den man gar nicht so laut abmischen müsste, wie dies hier im Bosco geschieht) wunderbar über die gesamte Konzertdauer.

 

Galerie
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Do, 09.11.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.