Liebe geht durch den Magen, sagt das Volk. Und dem schauten die Poeten der Zeitschrift „Das Gedicht“ genau aufs Maul. Beziehungsweise auf den Teller. Ergebnis ist die schillernde Anthologie „Götterspeise & Satansbraten.“ Bei der Lesung in der bosco-Bar deckten Dichter und Poetry-Slamer um die Herausgeber Kerstin Hensel und Anton Leitner mit ihren beflügelnden Versen einen reichen Tisch. Pure Genüsse für Gaumen - und Geist.
Lyrik vom Feinsten bietet der Weßlinger Verleger Anton G. Leitner seit einem Viertel Jahrhundert. Mit der Berliner Professorin am Ernst-Busch-Institut für Schauspielkunst verbindet den Poeten eine Leidenschaft: Sie ist eine leidenschaftliche Köchin, er ein leidenschaftlicher Esser. Die beiden Lyriker haben deshalb ihren aktuellen 23. Band „Das Gedicht“ mit Blog „Verse für den Gaumenkitzel“ ganz dem Essen und Trinken gewidmet. Nur 50 handverlesene „Drei-Sterne-Gedichte“ von „2000 bis 3000 Einsendungen“ sind in „Götterspeise & Satansbraten“ abgedruckt. „Wir lassen nichts aus – auch nicht den Hunger in der Welt“, denn: „Das ist eine kritische Ausgabe“, sagt Mit-Herausgeber Anton G. Leitner im Gespräch mit Moderatorin Sabine Zaplin.
Mit einem edlen Gala-Diner überzeugten die Autoren. Mit Kochlöffel-Rhythmik bietet Georg Eggers gleich zum Auftakt ein marktfrisch zubereitetes „Amuse goeule“: Der Poetry-Slamer verbindet den Lärm „vor der Pubertät“ mit dem späteren TV-Format „Kochshow“ perfekt – zum astreinen „Thunfisch-Carpaccio“. Herausgeber Anton G. Leitner, bekennender Viktualienmarkt-Kunde, ist auch ein begnadeter Lyriker: „Beim Dallmaia Loisl. Z Minga drin“, schildert der Autor eine Szene im Feinkostladen. „D`Bredda füa iran Sarg san scho ghowed“, fabuliert der Oberbayer über eine Kundin. Und ihren Angetrauten hat die betuchte Witwe „pfeigrod frira undda d`Eadn brocht.“ Da steht sie nun „mid ira Moadspension an da Kaasthegn.“ Ihre große Sorge: „Is scho jemand undda dene andan, de auf da Brennsubbn daheagschwomma san…“ Als die sächsische Verkäuferin die Kundin schließlich als „Nu, Frau Dogdor“ mit dem Titel ihres toten Mannes „oreed“, giftet die Münchnerin: „Früher hatte der Laden wenigstens noch Stil.“
„Extremsportarten“ vorzugsweise älterer Damen entlarvt Lyrikerin Melanie Arzenheimer aus Eichstätt als „Apfelstrudeln, Vanillekipferln, Eisbechern, Quarkauflaufen…“ – und als Mannschaftsdisziplin „Glühweinen.“ Ihr Dichter-Kollege Alfons Schweiggert favorisiert ein „geistreiches Menü“ mit „Grass und Grünbein“ als Vorspeise. Dann ein sahniges Süppchen, „das jeder Gernhardt.“ Auf ein Sarah-Kirsch-Soufflé folgen noch zwei Stamperl „Enzensberger“ zur Verdauung.
Aus seiner „vornehmen Speisekarte“ liest der renommierte Münchner Turmschreiber Wolfgang Oppler aus Ebersberg. Von „gebrühtem Kalbfleischschweinerückenspeckbrät mit Laugenbackschleife an Honigsenfkornschaum“ ist da die Rede. Was der Ober dann brachte, waren „zwei Weißwürste, eine Breze, ein Haferl Senf“, so der begnadete Dichter unter amüsiertem Gelächter. Wortkünstlerin Bärbel Wolfmeier, firm auch in Plattdeutsch, überzeugt mit „Gummibärchen.“ Das Gedicht habe sie verfasst, als ihr Sohn in der Grundschule derart gemoppt und gequält wurde, dass er reif war - für den Psychiater. „Gummibärchen: Die kommen darwin nicht in die tüte die loser und weicheier nur die harten…“
Zum Abschluss des ungewöhnlichen Galadiners servierte Moderatorin Sabine Zaplin etwas „Leichtes, Fluffiges.“ Und weil Tiere im Gegensatz zum Menschen – nicht einmal beim Schlachten – organisierten Widerstand leisten, las Poetry-Slamer Georg Eggers aus seinem vergnüglichen Tiergedicht „Weihnachtsgans.“Und die Moral von der Geschicht´? „Der Mensch vergesse bitte nicht, dass, wenn das Weihnachtslied erklingt, meist jemand dafür Opfer bringt.“
Christine Cless-Wesle