Zu Beginn der Pandemie war es zur Parole geworden: „Daheim bleiben“, „Stay home“, auch in der Dialektvariante „Dahoam“. Auf Österreichisch heißt das „Dahaam“, und genauso lautet der Titel des neuen Programms von Christof Spörk. Gemeinsam mit dem italienischen Schlagzeuger und Bassisten Alberto Lovison schreitet Spörk die Grenzen dieses Zustands aus, der irgendwo zwischen Burgmauer, Betstube oder Bastelkammer die Möglichkeiten der Identitätssuche ebenso einschränkt wie weitet.
Da ist die Frage nach dem Glück und worin es besteht: Familienglück, Glück der Individualität oder zumindest in der Abgrenzung zu anderen. Dem gegenüber steht das weit häufiger „zuhause“ anzutreffende Bedürfnis, zu jammern - auf Österreichisch „sudern“. Zum Sudern gibt es genügend Anlass: dass man von allem zu wenig, vom Schlimmen zu viel, vom Mühsamen zu oft und überhaupt im Vergleich zu den anderen immer das Falsche hat.
Da ist die große Wut, die sich „dahaam“ einfach mal Luft verschaffen darf. In diesem Zusammenhang outet sich Christof Spörk als Chorleiter, pardon: Choleriker, als „hochaggressives Teilzeit-Arschloch“, und belegt dies mit dem wohl stärksten Song des Abends, der nach einem sich steigernden Feuerwerk an allem, worauf sich ein Choleriker einen Reim machen kann, in einem aus Stimme und Schlagzeug sich mischenden Klang-Cluster eskaliert, frei nach dem Motto des Abends: „Schon wieder so ein Lied, das nicht zum Mainstream passt“.
Von derlei Ausrastern hätte man sich mehr gewünscht an diesem eher etwas braven Abend, aber vermutlich ist das dem Thema geschuldet: daheim ist man eher im „Füße hoch“-Modus als in jenem, in dem man mit den ebensolchen kräftig auf den Boden stampft. Eher ist das Zuhause doch ein „Safe space“, jenem ähnlich, de runter dem Namen „Männergesangsverein“ den arg verunsicherten weißen Männern in fortgeschrittenem Alter Schutz bietet - wie Spörk an einer Stelle im Programm bemerkt.
Immer wieder aber blitzt der in den charmantesten Singsang gekleidete österreichische Schmäh durch, der eben so nur im Nachbarland „dahaam“ ist: wenn Spörk und Lovison beispielsweise gemeinsam in die Gestalt eines Rasenroboters schlüpfen und aus dessen Perspektive ein Lied bringen, bei dem Alberto Lovison mit einer elektrischen Zahnbürste eine Bongo bearbeitet oder wenn Christof Spörk, auf Rat seiner Regisseurin Gabi Rothmüller, das Publikum mit zu sich nach Hause nimmt und von der Geschichte seines alten burgenländischen Hauses erzählt - „ein bisschen so wie Albanien“.
So richtig „dahaam“ ist Christof Spörk in der Musik. Es sind die jazzigen Klänge, welche die Songs auszeichnen. Immer wieder verwandeln diese sich, lassen sich nicht auf einen Nenner bringen, schon gar nicht auf den des Mainstream. Den ganzen Abend lang steht im Hintergrund eine Klarinette bereit, und es ist fast ein bisschen schade, dass die erst in der Zugabe zum Einsatz kommt. Aber immerhin darf der Abend mit ihr ausklingen - wie ein deutlicher Rausschmeißer aus dem „dahaam“ im bosco-Saal.