Danish String Quartet: Nordisch verhalten
Dieses Konzert brachte so einige Premieren mit sich. Nicht nur weil die Werke im Programm hier wohl noch nie gespielt wurden, und zudem bis auf einen kurzen Mendelssohn-Satz aus dem 20. Jahrhundert stammen, sondern auch, weil erstmals ein Ensemble aus dem skandinavischen Kulturkreis (also die Finnen von Meta4 nicht mitgerechnet) in der Klassikreihe zu Gast war. Nicht zu vergessen die Zugaben: Erstmals erklangen mehrere reine Volksmusikstücke im Rahmen des Klassikforums – abgesehen vom Auftritt der Kopatchinskys, deren Folklore jedoch zugleich auch die frühe E-Musik Moldawiens darstellte. Gerade dieser folkloristische Anhang des Danish String Quartet war schon sehr aufschlussreich, was die Musizierweise der drei Dänen und des Norwegers betrifft. Diese wunderbar melancholisch-sehnsuchtsvolle Musik kam überaus feinsinnig daher, stimmungsvoll ausgebreitet, in filigraner Leichtigkeit umspielt, mit seelentiefem, schlichtem Gesang darüber. Und trotzdem nicht weniger mitreißend, nicht weniger musikantisch, nicht weniger lustvoll. Hierbei wurde klar, woher das Adagio des Mendelssohn-Capriccios aus op. 81 seine wohlproportionierte Schönheit zuvor geschöpft hatte. Aber im zweiten Teil des Capriccios von 1843, dem Allegro fugato, präsentierte sich das Quartett auch als ein kraftvoll zupackendes, das schon mächtig Energie entladen konnte. Das verblüffende dabei war jedoch, dass die vier Musiker es auch leise und mit sehr schlanker Stimmführung zu vermitteln vermochten.
Sich weit zurückzunehmen, die verhaltene Dynamik minuziös zu formen, dennoch große emotionale Momente auszuarbeiten: Dies war Zweifelsohne die herausragende Qualität des Abends. Schostakowitschs Streichquartett Nr. 9 in Es-Dur von 1964 ist kein harmloses Werk. Es ist mit drängender Ruhelosigkeit aufgeladen, bizarr kontrastiert, mit ironisierender Folkloristik gewürzt, mittels romantischer Weisen mit Sehnsucht erfüllt, aber auch mit kraftvollen Verdichtungen massive Substanz anhäufend. All das vermochte das Danish String Quartet zweifelsohne mit großer Intensität umzusetzen. Allerdings über weite Strecken zwischen Pianissimo Piano und allenfalls Mezzoforte sowie in einfühlsamster filigraner Detailarbeit und fesselnden Ausdrucksnuancen, die weit mehr zu erzählen hatten als das so häufig zu hörende Poltern mit aufdringlichen Klangfluten. Da blieb noch eine Menge Freiraum übrig, im Finale eine schier donnernde Verdichtung zu suggerieren. Der Vorteil einer solchen Spielweise liegt auf der Hand: Selbst wenn man die großen Steigerungen als mächtig tosend empfand, blieben sie immer noch im Bereich des Schönklangs und weiterhin differenzierbar und plastisch. Fürs zentrale Allegretto brachte es den Gestaltungsspielraum, überaus tiefsinnig zwischen ironisierendem Spielwitz und gespenstischem Galopp changieren zu können.
Bartóks Streichquartett Nr. 1 op. 7 von 1908 verlangte indes nach schmerzerfüllter Leidenschaft, um das Liebesleid des Komponisten überzeugend darzustellen. Das Ensemble ließ es sich nicht nehmen, die spätromantischen Momente in schönfarbiger Substanz auszuspielen, beginnend mit dem Leidensgestus im Lento. Das Changieren ins Gewand der Moderne resultierte auch hier schlüssig, ohne die Reibungen zu forcieren. Erfrischend zeigte sich die schlanke Linie im Allegretto, einmal mehr verhalten modelliert, dennoch wirkungsvoll im Ausdruck. Die Einleitung zum Schlusssatz kündigte aber schon mit Intensität das Finale an, das nun wieder viel Raum vorfand, den bisweilen hämmernden Puls effektvoll für Eindringlichkeit zu nutzen. Spannung zum Bersten, befreiende Öffnungen und spritzige Folkloristik fesselten bis zum letzten Ton. Frenetische Ovationen – trotz, oder gerade wegen des so schlichten Auftretens.