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Veranstaltungsinfo

So, 11.10.2020
11.00 Uhr
Diskussion

Eintritt frei

Platzkarten erforderlich  | Karten  ab 10:15 an der Kasse  erhältlich

Diskussion zum Schauspiel: Theater & Inklusion

Unsere drei Gäste diskutieren über das Thema "Theater und Inklusion". Die Veranstaltung kann bei entsprechender Anmeldung in Gebärdensprache gedolmetscht werden.

Das Metropoltheater München bringt im Rahmen der Reihe "All Inclusive" Stücke mit Live-Audiodeskription und Gebärdensprachdolmetschung zur Aufführung, um blinden, sehbehinderten und gehörlosen Menschen die Produktionen des Theaters zugänglich zu machen. Darunter auch das Stück "The Black Rider", das auch in unserer Schauspiel-Reihe gezeigt werden sollte (Informationen zur Absage finden Sie hier). Barrierefreie Aufführungen sind aber noch immer die Ausnahme und nicht die Regel im Theater. Auch auf und hinter der Bühne sind Menschen mit Behinderung nur selten sichtbar. Das nehmen wir zum Anlass, über „Theater und Inklusion“ zu sprechen. Die drei Gäste der Diskussionsveranstaltung bringen verschiedene Perspektiven auf das Thema ein.


Podiumsgäste
MAX DORNER Schriftsteller und Aktivist
PROF. JOCHEN SCHÖLCH Theaterregisseur / Mitbegründer & Intendant Metropoltheater München
VICTORIA BEYZER Studentin der Theaterwissenschaften / Gemeinderätin & Ortsvorsitzende FDP Gauting
 
MAX DORNER wurde 1973 in München geboren, wo er auch lebt. Als Stipendiat der Studienstiftung studierte er an der Bayerischen Theaterakademie. Danach arbeitete er als Literaturlektor, Journalist und Regisseur. Seit 2015 verantwortet er im Münchner Kulturreferat den Bereich “Kunst und Inklusion”. Inzwischen hat Max Dorner neun Bücher veröffentlicht, für seinen Debütroman erhielt er den Bayerischen Kunstförderpreis.

Geboren 1966 in Leimen bei Heidelberg, ist JOCHEN SCHÖLCH seit 1984 als Regisseur in München, Potsdam, Ingolstadt und Cagliari tätig. 1998 gründete er das Metropoltheater in München, das 2002 als erste und einzige freie Bühne mit dem Bayerischen Theaterpreis ausgezeichnet wurde. Seit der Spielzeit 2002/2003 leitet Jochen Schölch den Studiengang Schauspiel an der Theaterakademie August Everding, wo er seit 1998 als Dozent tätig war. 2006 wurde er zum Professor ernannt. Als Dozent für Schauspiel und Regie ist er in Shanghai, St. Petersburg und Oslo tätig.

VICTORIA BEYZER wurde 1992 in Rostov-am-Don (Russland) geboren und lebt seit 2001 in Deutschland. Sie ist Studentin der Theaterwissenschaften mit Soziologie im Nebenfach. Seit 2016 ist Victoria Beyzer Ortsvorsitzende der FDP Gauting und seit 2018 Bezirksvorsitzende der Jungen Liberalen Oberbayern. Ihren politischen Schwerpunkt legt sie auf die Bereiche Kultur, Inklusion, Soziales, Migration und Bildung. Im Frühjahr 2020 wurde Victoria Beyzer in den Gautinger Gemeinderat gewählt.


Hinweis barrierefreie Angebote
Die Veranstaltung kann für gehörlose Gäste in Gebärdensprache gedolmetscht werden. Für schwerhörige Gäste ist eine induktive Höranlage vorhanden.
Bei Bedarf teilen Sie uns bitte bis spätestens FREITAG, den 02. OKTOBER mit, dass Sie eines der Angebote nutzen möchten – persönlich im Theaterbüro im bosco, telefonisch unter Tel. 089 / 4523858-0 oder per E-Mail an kartenservice@theaterforum.de
Allgemeine Informationen zum Haus finden Sie unter dem Menüpunkt Barrierefreiheit.



 

Nach(t)kritik
Ws heißt eigentlich normal?
Nach(t)kritik von Sabine Zaplin

Der Schauspieler Lars Eidinger erzählte kürzlich auf dem Fünf-Seen-Filmfestival, dass er nach einer Vorstellung von Shakespeares „Richard III.“ von einem Zuschauer angesprochen worden sei, der ihm erklärte, ihm als gesundem Menschen stünde es nicht zu, einen Behinderten zu spielen, das sei eine andere Form von „Black-Facing“. Die Debatte um Diversität ist offensichtlich weit komplizierter, als - um noch einmal Shakespeare zu bemühen - „unsere Schulweisheit uns glauben macht“. Das zeigt auch die Podiumsdiskussion „Theater und Inklusion“, die ursprünglich in einer geplanten Reihe „Inklusion im Würmtal“ stattfinden sollte und nun als singuläre Veranstaltung am Sonntagmorgen im bosco eine Schar Interessierter in den Saal lockte.

Auf dem Podium saßen die Gautinger FDP-Ortsvorsitzende und Gemeinderätin Victoria Beyzer, der Schriftsteller und Aktivist Max Dorner und Metropol-Theater-Intendant Jochen Schölch, der hier auch in seiner Eigenschaft als Dozent für Schauspiel an der Münchner August-Everding-Akademie vertreten war. Dorner eröffnete die Diskussion mit einem kurzen Rückblick auf die Geschichte des Begriffs „Inklusion“, der in der UN-Behindertenrechtskonvention seit Ende 2006 festgeschrieben ist und das Recht auf Teilhabe aller am gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben proklamiert. Damals habe es, so Dorner, eine regelrechte Aufbruchstimmung gegeben, mittlerweile aber „haben die Aktivisten die Lust an dem Wirt verloren“ und auch innerhalb der Kulturbetriebe sei es eher zu einer gewissen Ermattung gekommen. Dorner führt die Ermüdungserscheinungen zurück auf die Schwierigkeiten, Inklusion in den Schulen zu verankern und eben bereits im Alltag von Kindern und Jugendlichen zu etablieren.

Victoria Beyzer, die derzeit in München noch Theaterwissenschaft studiert, bestätigt dasselbe hinsichtlich der Hochschulen. „Es gibt kein Seminar, das sich damit beschäftigt“, erklärt sie, und auch im Umfeld des Instituts für Theaterwissenschaften sei ihr das Thema bisher noch nicht begegnet. Sie berichtet von einem Workshop an den Kammerspielen, bei dem sie erfahren habe, dass an australischen Theatern bereits ganz anders damit umgegangen werde, dass es beispielsweise bei der Spielplangestaltung Beachtung erfahre.

Das ist etwas, das Jochen Schölch in der Arbeit des Metropoltheaters ohnehin tut. So gibt es dort die Reihe „All inclusive“, die Stücke mit Live-Audiodeskriptionen und Gebärdendolmetschung aufführen. Doch mit dem Augenmerk auf „Barrierefrei“ ist es nicht getan. Es gelte auch, so der Hochschulprofessor Schölch, die Teilhabe aller politisch zu wollen und dafür „auch Geld in die Hand zu nehmen“. Ein Hindernis ist beispielsweise die bei den Zulassungsanforderungen für die Aufnahme geforderte Hochschulreife, die - wie eine Zuschauerin bemerkt - für zahlreiche Menschen mit Behinderung allein deshalb nicht möglich ist, weil weiterführende Schulen ihnen die Teilhabe nicht ermöglichen. Zwar dürfen die Schauspielschulen hier Ausnahmen zur Regel machen, erläutert Schölch, doch solange es an Vorbildern mangele, werden nicht viele junge Menschen mit Beeinträchtigungen auf die Idee kommen, an einer Schauspielschule vorzusprechen und diesen Beruf überhaupt in Erwägung zu ziehen.

Es müsse zur Normalität werden, Menschen mit Beeinträchtigungen auf der Bühne und im Kino zu sehen, fordert auch Beyzer und verspricht am Ende der Diskussion, sich politisch dafür einzusetzen und ganz konkret bei politischen Anträgen als Unterstützerin zur Verfügung zu stehen. Schölch nimmt sich vor, das Thema der Zulassungsanforderungen an der Schauspielschule besser zu kommunizieren. Und Dorner ist höchst angetan vom Interesse des Gautinger Publikums. So wird es vielleicht irgendwann keine Rolle mehr spielen, wer Richard III. spielt - Rolle bleibt Rolle, und die Mimen bringen ihre Begabungen dafür mit, so oder so.

Galerie
Bilder der Veranstaltung
So, 11.10.2020 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.