Vor Beginn der Vorstellung stand er ganz entspannt an der Bar, in der Pause schlenderte er herum und unterhielt sich mit dem Publikum: mit Nervosität hat Django Asül offensichtlich überhaupt keine Probleme, nicht einmal mit einem so neuen und noch in der Probephase sich befindenden Programm wie dem, mit dem er im bosco gastierte.
Es war die allerletzte Kabarettvorstellung der Spielzeit, am Abend des ersten richtigen Frühsommertags, noch nach der Pause herrschten im Saal tropische Temperaturen. Und auch das machte dem lässigen Künstler nichts aus, änderte nichts an seiner entspannten, neudeutsch „gechillten“ Haltung. Vielleicht lag es daran, dass er längst erkannt hat: ein Leben ist viel schneller vorbei als wir alle glauben, da muss man nicht noch obendrein hetzen.
Eine Zeitungsmeldung nämlich gab den Anlass für das neue Programm: Django Asül hatte gelesen , dass das deutsche Volk jedes Jahr um einige Tage älter würde. Nach kurzem Innehalten musste er feststellen er selber wurde im selben Zeitraum um ein ganzes Jahr älter. Offensichtlich altert er also schneller als der Durchschnittsdeutsche. Zeit, die letzten Dinge zu regeln. Die Nachfolge zum Beispiel (diese Frage wird am Ende des Programms geklärt). Oder die Sache mit dem Sinn: vielleicht war dies der Zeitpunkt, endlich einmal etwas noch Sinnvolles zu tun, zur Feuerwehr zu gehen, zum Krieger- und Veteranenverein, oder eine eigene Bürgerwehr zu gründen. Irgendetwas nachhaltiges zu tun. Nachhaltigkeit, das lässt sich laut Django Asül auf folgende Formel bringen: Gemütlichkeit geteilt durch die Wurzel aus Entschleunigung. Besser lässt sich seine eigene Haltung nicht auf den Punkt bringen.
Und so kann er ganz gemütlich, ganz entschleunigt die Wurzel aus allem ziehen, was in der letzten Zeit auf der Agenda stand. Das Thema Flüchtlinge zum Beispiel. Laut seinem Stammtischbruder Hans ist gegen Flüchtlinge im Prinzip nichts zu sagen. „I hob nix gegen Flüchtlinge“, pflegt der Hans zu sagen, „aber nur weil i nix gegen wos hob, muss des no lang nit do san.“ Doch der Nahe Osten ist schon mitten unter uns, womit er schon lange kein Naher Osten mehr sei, sondern ein Daer Osten. Die sogenannte Balkanroute sei, so der Künstler, mittlerweile längst so etwas wie ein arabischer Jakobsweg. Wie viele Flüchtlinge genau da sind, scheint sich nicht wirklich ermitteln zu lassen, man ist da auf Vermutungen angewiesen. 6, 7 Millionen, vermutet Django Asül, denn „immer, wenn etwas in Deutschland verschwindet, sind es 6, 7 Millionen.“
A propos Balkanroute: die ist dem Kabarettisten schon aus frühester Jugend vertraut, allerdings in der umgekehrten Richtung. Und eigentlich ist diese Balkanroute noch viel, viel älter und darf mit Fug und Recht eine türkische Erfindung genannt werden - schließlich sind diese auf genau jenem Weg 1532 und dann wieder 1683 nach Wien gelangt. „Die Türken haben die Balkanroute genau genommen erfunden.“
Da lohnt es sich, gleich mal die ganze Geschichte dieses Europas anzuschauen, das zwar geographisch ein Kontinent sein mag, mit seinen gegenwärtigen Problemen aber eher den Eindruck von „inkontinent“ macht. Um dem ganzen auf den Grund zu gehen, wirft Django Asül einen Blick in die griechische Mythologie, wo die phoenizische Königstochter Europa von Zeus selber nach Kreta entführt wird, wozu Zeus die Gestalt eines Stiers annimmt. „Zeus“, erklärt Asül, „stammt ab von dem altbairischen Verb zeun, was soviel bedeutet wie zahlen, und zwar handelt es sich hier um den Imperativ, also zahle!“ Die Entführung nach Kreta sei durchaus logisch, wegen des dort herrschenden verminderten Mehrwertsteuersatzes und der Agrarsubventionen. Und was Europa selbst angehe: Phoenizien lag etwa dort, wo sich das heutige Syrien befindet. „Wenn heute die Menschen von dort nach Europa drängen, dann sind das keine Flüchtlinge, sondern anreisender Verwandtenbesuch.“
Noch hat Django Asül also keine Zeit, sich zur Ruhe zu setzen - auch, wenn er tatsächlich in einem Jahr um ein ganzes Jahr älter wird. Zumindest dem Kabarettpublikum ergeht es ganz genau so.