Eine Bank, eine Leiter, zwei kleine Blecheimer. Aus der Banklehne und der umgedrehten Leiter wird eine sehr hohe und sehr schmale Brücke, ein blauer Stoff wallt als reissender Fluss über die Sitzfläche der Bank, unter der hohen schmalen Brücke. Auftritt Zenz und Annamirl, zwei Gebirgsmadeln auf der Suche nach frischen Kräutern. Schlau, wie sie sind, haben sie sich den Aufstieg zur Brücke gut organisiert: die beiden Blecheimer werden zum Aufzug, der sogar ganz modern per Sprachsteuerung funktioniert: „Eimer aufwärts!“, und schon zieht der diskrete Herr mit Hut im Hintergrund die beiden Eimer hoch zur Brücke. Dort begegnen sich die zwei Damen, ratschen ein wenig und lassen sich dann auf der jeweils anderen Seite wieder hinuntertransportieren - „Eimer abwärts!“. Denn die gewünschten Kräuter sind selbstverständlich immer auf der anderen Seite des Flusses.
Auftritt Robert der Riese und Pozzo der Bär. Noch ehe man sie sieht, hört man sie schon. Und vor allem hört man, was für riesige Angeber die beiden sind. Unter lautem Kraftgebrüll und ordentlichem Gestöhne klettern sie hoch zur Brücke, denn für die Eimer sind die beiden Kraftprotze natürlich viel zu groß. Oben auf der Brücke angekommen, gibt es dann ein Problem: sie kommen nicht aneinander vorbei. Das führt zu noch mehr Geprotze und Gemotze auf beiden Seiten, denn natürlich will keiner nachgeben. Nicht einmal der Rempeltanz bringt Abhilfe, auch nicht der Verscuh, den jeweils anderen von der Brücke hinunterzukippen. Erst als der diskrete Herr aus dem Hintergrund eingreift und den beiden Angebern ein bisschen Schlauheit in die Köpfe pustet, kommt ihnen die Idee, es mal mit Annäherung zu versuchen. Eng aneinandergeschmiegt gelingt es ihnen im Umdrehen, die Seiten zu wechseln und ans jeweils andere Flussufer zu gelangen.
Mit „Riese, Bär und eine Brücke“ erzählt Alexander Baginski mit seinem Pantaleon Figurentheater eine bezaubernde Geschichte davon, wie auch die größten Streithähne durch Nachdenken zur Einigung kommen können. Dass dazu Maria Dafka, die auf dem Akkordeon für die musikalische Wegbegleitung sorgt, auf dem Höhepunkt des Streits „Katjuscha“ spielt, ist vielleicht ein kleiner, augenzwinkernder Kommentar zur Gegenwart, den vor allem die anwesenden Erwachsenen verstehen.
Baginski benötigt nur sehr wenig, um sein Figurentheater zum Leben zu erwecken: das aufs Äußerste reduzierte Bühnenbild, ein wenig - von ihm selbst gesteuerte - Beleuchtung, dazu die Akkordeonmusik, und vor allem die liebenswert gestalteten Puppen lassen den Zuschauerkindern genügend Spielraum für die eigene Phantasie. Und die nutzen sie. „War cool“, äußert sich im Hinausgehen ein Siebenjähriger. Ein größeres Kompliment ist nicht möglich.