Alles ist Content. Letztlich ist „Content“ nur ein Euphemismus für Informationen, deren Inhaltslosigkeit deshalb kein Kriterium ist, weil sie so oder so ein Publikum bekommen. Es ist daher nicht nur ein bisschen widersprüchlich, wenn Friedemann Weise sein neues Bühnenprogramm, mit dem er derzeit durch Deutschland tourt, „Das bisschen Content“ nennt. Denn seine aus scharfen Beobachtungen und klassischer Kabarettbühnenkunst geborene Komik ist substantiell. Ein großes Publikum zieht sie trotzdem an, kaum ein Stuhl im Bosco bleibt leer.
Das liegt natürlich auch an Weises Popularität. Seine Rubrik „Ratschläge in die Fresse“, in der er als Teil der ZDF-Satiresendung „heute-show“ aktuellen Themen mit wohlmeinender Bösartigkeit begegnet, hat ihn berühmt gemacht, zurecht. Seine Fähigkeit, den Alltag in der klamaukhaften Überspitzung kenntlich zu machen, zeigt er auch hier. Mit einer zutreffenden Selbstcharakterisierung kündigt er sich an als „Adorno unter den Karl Dalls“. Da ist vielleicht sogar mehr dran, als er selbst weiß.
Denn auch der Kopf der Frankfurter Schule war in erster Linie Beobachter des wirklichen Menschen. Bei Weise führt das zu so absurden wie treffenden Gedankenschlingen, wie in seinem zur Gitarre vorgetragenen Lied über das Frühstück des Bäckers. Was isst ein Bäcker zum Frühstück? Frische Brötchen können’s nicht sein, die müssen ja erst gebacken werden. Immerzu Brot vom Vortag, das ist die Antwort. Eine Tragödie? Eine Komödie? Weises Programm zeigt, dass das nur auf die Art der Präsentation ankommt. Der durchweg dichte Lachrhythmus des Publikums macht klar, welche Meinung hier dominiert.
So mäandert Friedemann Weise durch die Fährnisse des realen Lebens. Der Kölner Satiriker findet eine Lösung für den Wohnungsmangel – er ist auch hier ganz Ratgeber –, indem er vorschlägt, gleich in ein Möbelhaus einzuziehen, vermutet aber, dass das Gautinger Publikum weniger Kontakt zum einschlägigen schwedischen Konzern hat als andere Fans. Das macht nichts, im Lied über Fachkräftemangel schafft er es mühelos, jenes Publikum zum Mitsingen zu animieren.
Unterstützung bekommt Weise von seinem Mini-Klon Friedemännchen, der ihm als Sidekick mit Fistelstimme unter die Arme greift, dabei auch Sekretärs-Aufgaben übernimmt. Als Weise mal in eine für ihn nachvollziehbare Rolle schlüpfen möchte und aus der Perspektive Gottes singt, meldet sich dieser telefonisch beim Klon in der Kiste. Eine Intervention von oben bleibt indes aus, Weise kann sein Programm ungestört phantasievoll gestalten. So kommt es eben, dass in derselben Minute Peter Maffay und Gott selbst zu Protagonisten des Scherzes werden, wobei es für Weise wahrscheinlich auch keinen kategorialen Unterschied zwischen beiden gibt.
Freilich zündet nicht jeder Gag aller Nummern, vor allem wenn sie an der Marke der Überlänge kratzen. Übel nimmt das Weise niemand, er ist ein Jedermann, wenn auch der untypischste, den es gibt. Am stärksten ist er in den kurzen Pointen, die er am Klavier schnell hintereinander abfeuert: Kopfschütteln über die Anwerbung eines Ziffernblatts „in zeitlosem Design“; die Beobachtung, dass man von Intervallfasten zunimmt, wenn die Pausen zu klein sind; das Katastrophen-Potential des digitalen Raums.
Also doch: Viel Content, aber auch viel Relevantes. Was Weises Programm und der Mode-Begriff gemein haben, ist höchstens der Eklektizismus – Weise schöpft aus aus elegant gereimtem Musikkabarett ebenso wie aus der Witzkiste, die sich auf die Region unterhalb des Bauchnabels konzentriert. Das wird begeistert aufgenommen.