Veranstaltungsinfo
Gerd Holzheimer "Auf geht´s: Zu neuen Ufern!" (3): Von Kraglfing nach Wahnmoching
3. Von Kraglfing nach Wahnmoching: Bohème in Schwabing
Die große Debatte der Jahrhundertwende dreht sich um die Kontroverse zwischen der Avantgarde und einer sich als konservativ verstehenden Heimatkunst. Wie sehr die beiden aufeinander angewiesen sind und einander bedürfen, zeigt das Schwabing der Zeit, eine Art Experimentierstation für die Moderne, Grundlage für all diese Aufbrüche. Die Pole können mit zwei, freilich fiktiven, topographischen Begriffen beschrieben werden: mit „Kraglfing“, einem nicht wirklich existierenden Ort aus Ludwig Thomas Erzählungen, und dem schönsten Namen, der für Schwabing erfunden worden ist: „Wahnmoching“. „Wahnmoching“, so die Reventlow in ihrem Roman Herrn Dames Aufzeichnungen, „heißt wohl ein Stadtteil, aber das ist nur ein zufälliger Umstand. Wahnmoching ist eine geistige Bewegung, ein Niveau, eine Richtung, ein Protest, ein neuer Kult oder vielmehr der Versuch, aus uralten Kulturen wieder neue religiöse Möglichkeiten zu gewinnen...“ Sie selbst verkörpert darin eine „erotische Rebellion“.
Franziska zu Reventlow, die „wilde Gräfin“, wie sie bald genannt wurde, taucht 1893 in München auf. Im gleichen Jahr gründet Langen seinen Verlag, in dem 1896 der Simplicissimus erscheint. Ein Jahr zuvor sorgt Panizza mit seinem Liebeskonzil für einen ähnlichen Skandal wie Wedekinds Frühlings Erwachen im Jahre 1890, sein Autor wandert in die Nervenheilanstalt. 1896 kommt Georg Hirth mit der Jugend heraus, einer humoristisch-satirischen Wochenschrift für Kunst und Leben. 1897 stößt Thoma zum Simplicissimus, 1899 kommt Wedekind wegen Majestätsbeleidigung in Haft. In den Jahren zwischen 1899 und 1902 erscheint die Zeitschrift Die Insel. Die Elf Scharfrichter beginnen 1901 ihr Programm. 1903 eröffnet Kathi Kobus das Szenelokal „Simplicissimus“. Sechs Wochen Haft sitzt Ludwig Thoma 1905 ab, im gleichen Jahr kommt der Anarchist Gustav Gräser nach München. Zwischen 1911 und 1914 gibt Erich Mühsam Kain. Zeitschrift für Menschlichkeit heraus, aus seinen anrührenden Tagebüchern wird an diesem Abend gelesen und aus vielem anderen.
Die großen Themen der Zeit sind „Lebensreform“ (repräsentiert z. B. durch Diefenbach oder Gräser), „gewaltfreier Anarchismus“ (Mühsam), „sexuelle Rebellion“ (Panizza, Otto Gross, Reventlow), „Satire und politisches Aufbegehren“ (Wedekind, Thoma) und die „Lebenskunst“ mit ihren Publikationsorganen Jugend und Die Insel.
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecherin
CAROLINE EBNER
Die große Debatte der Jahrhundertwende dreht sich um die Kontroverse zwischen der Avantgarde und einer sich als konservativ verstehenden Heimatkunst. Wie sehr die beiden aufeinander angewiesen sind und einander bedürfen, zeigt das Schwabing der Zeit, eine Art Experimentierstation für die Moderne, Grundlage für all diese Aufbrüche. Die Pole können mit zwei, freilich fiktiven, topographischen Begriffen beschrieben werden: mit „Kraglfing“, einem nicht wirklich existierenden Ort aus Ludwig Thomas Erzählungen, und dem schönsten Namen, der für Schwabing erfunden worden ist: „Wahnmoching“. „Wahnmoching“, so die Reventlow in ihrem Roman Herrn Dames Aufzeichnungen, „heißt wohl ein Stadtteil, aber das ist nur ein zufälliger Umstand. Wahnmoching ist eine geistige Bewegung, ein Niveau, eine Richtung, ein Protest, ein neuer Kult oder vielmehr der Versuch, aus uralten Kulturen wieder neue religiöse Möglichkeiten zu gewinnen...“ Sie selbst verkörpert darin eine „erotische Rebellion“.
Franziska zu Reventlow, die „wilde Gräfin“, wie sie bald genannt wurde, taucht 1893 in München auf. Im gleichen Jahr gründet Langen seinen Verlag, in dem 1896 der Simplicissimus erscheint. Ein Jahr zuvor sorgt Panizza mit seinem Liebeskonzil für einen ähnlichen Skandal wie Wedekinds Frühlings Erwachen im Jahre 1890, sein Autor wandert in die Nervenheilanstalt. 1896 kommt Georg Hirth mit der Jugend heraus, einer humoristisch-satirischen Wochenschrift für Kunst und Leben. 1897 stößt Thoma zum Simplicissimus, 1899 kommt Wedekind wegen Majestätsbeleidigung in Haft. In den Jahren zwischen 1899 und 1902 erscheint die Zeitschrift Die Insel. Die Elf Scharfrichter beginnen 1901 ihr Programm. 1903 eröffnet Kathi Kobus das Szenelokal „Simplicissimus“. Sechs Wochen Haft sitzt Ludwig Thoma 1905 ab, im gleichen Jahr kommt der Anarchist Gustav Gräser nach München. Zwischen 1911 und 1914 gibt Erich Mühsam Kain. Zeitschrift für Menschlichkeit heraus, aus seinen anrührenden Tagebüchern wird an diesem Abend gelesen und aus vielem anderen.
Die großen Themen der Zeit sind „Lebensreform“ (repräsentiert z. B. durch Diefenbach oder Gräser), „gewaltfreier Anarchismus“ (Mühsam), „sexuelle Rebellion“ (Panizza, Otto Gross, Reventlow), „Satire und politisches Aufbegehren“ (Wedekind, Thoma) und die „Lebenskunst“ mit ihren Publikationsorganen Jugend und Die Insel.
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecherin
CAROLINE EBNER