Veranstaltungsinfo
Gerd Holzheimer "Auf geht´s: Zu neuen Ufern!" (4): Bumm, des hat gsessn!
4. Bumm, des hat gsessn! Revolutionäre Dichter an der Macht
„Es ist doch recht eigentümlich“, staunt Wedekind zu Beginn seiner Münchner Zeit 1884, „dass die Bühnenwelt beinahe so groß ist wie die übrige Welt; hier in München ist sie fast noch größer, aber das hängt halt mit den Verhältnissen zusammen.“ Vielleicht ist es kein Zufall, dass die einzig wirkliche Revolution, die je in dieser Stadt stattgefunden hat, von Schriftstellern wie Eisner, Mühsam, Landauer oder Toller ausging und getragen wurde. „Schwabing“ ist für Mühsam ein Kulturbegriff, ihm gefällt die Unbekümmertheit der Schwabinger, die „Genieanwärter“. Mühsam schreitet zur Tat und gründet die anarchistische Gruppe Tat. Im Pasinger Verlag Bachmair erscheint alle zwei Wochen seine Zeitschrift Revolution, und was Revolution ist, definiert Erich Mühsam so: „Tyrannenmord, Etablierung einer Religion, Zerbrechen alter Tafeln (in Konvention und Kunst), Schaffen eines Kunstwerks, der Geschlechtsakt.“ Synonyma für Revolution sind ihm „Gott, Leben, Brunst, Rausch, Chaos“.
Zum Leiter für Auswärtige Angelegenheiten beruft man einen Dr. Lipp, der angeblich den Papst persönlich kennt, und tatsächlich findet sich auch eine Depesche des revolutionären Zentralrats an den Papst: „Proletariat Oberbayerns glücklich vereint. Sozialisten plus Unabhängige plus Kommunisten fest als Hammer zusammengeschlossen, mit Bauernbund einig. Liberales Bürgertum als Preußens Agent völlig entwaffnet. Wir wollen den Frieden für immer.“ Da wird sich der Papst gefreut haben. Resigniert notiert Ernst Toller in seiner Jugend in Deutschland: „Hier sitzt der deutsche Revolutionär, gutmütig und ahnungslos, addiert Zahlen und kontrolliert Vorräte, damit alles seine Ordnung habe, wenn er erschossen wird", so beschreibt der Dramatiker Ernst Toller den Revolutionär, als er selbst Revolutionär geworden war – als Pazifist mit dem Aufbau einer Roten Armee beauftragt. Einer seiner Gefolgsleute schießt auf die Glocken der Paulskirche und freut sich: „Bumm, des hat gsessn!“
Wie kommt es, dass Schriftsteller politische Verantwortung übernehmen? Was machen sie daraus? Was geschieht mit ihnen? Dahinter steht das große Thema vom Verhältnis von Traum und Wirklichkeit, die Frage, inwieweit sich Visionen einlösen lassen in der Realität – bis hin zu dem legendären Ausspruch eines Münchner Sozialdemokraten: „Na, macht’s halt Euer Revolution, damit a Ruah is!“
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecher
PETER WEISS
„Es ist doch recht eigentümlich“, staunt Wedekind zu Beginn seiner Münchner Zeit 1884, „dass die Bühnenwelt beinahe so groß ist wie die übrige Welt; hier in München ist sie fast noch größer, aber das hängt halt mit den Verhältnissen zusammen.“ Vielleicht ist es kein Zufall, dass die einzig wirkliche Revolution, die je in dieser Stadt stattgefunden hat, von Schriftstellern wie Eisner, Mühsam, Landauer oder Toller ausging und getragen wurde. „Schwabing“ ist für Mühsam ein Kulturbegriff, ihm gefällt die Unbekümmertheit der Schwabinger, die „Genieanwärter“. Mühsam schreitet zur Tat und gründet die anarchistische Gruppe Tat. Im Pasinger Verlag Bachmair erscheint alle zwei Wochen seine Zeitschrift Revolution, und was Revolution ist, definiert Erich Mühsam so: „Tyrannenmord, Etablierung einer Religion, Zerbrechen alter Tafeln (in Konvention und Kunst), Schaffen eines Kunstwerks, der Geschlechtsakt.“ Synonyma für Revolution sind ihm „Gott, Leben, Brunst, Rausch, Chaos“.
Zum Leiter für Auswärtige Angelegenheiten beruft man einen Dr. Lipp, der angeblich den Papst persönlich kennt, und tatsächlich findet sich auch eine Depesche des revolutionären Zentralrats an den Papst: „Proletariat Oberbayerns glücklich vereint. Sozialisten plus Unabhängige plus Kommunisten fest als Hammer zusammengeschlossen, mit Bauernbund einig. Liberales Bürgertum als Preußens Agent völlig entwaffnet. Wir wollen den Frieden für immer.“ Da wird sich der Papst gefreut haben. Resigniert notiert Ernst Toller in seiner Jugend in Deutschland: „Hier sitzt der deutsche Revolutionär, gutmütig und ahnungslos, addiert Zahlen und kontrolliert Vorräte, damit alles seine Ordnung habe, wenn er erschossen wird", so beschreibt der Dramatiker Ernst Toller den Revolutionär, als er selbst Revolutionär geworden war – als Pazifist mit dem Aufbau einer Roten Armee beauftragt. Einer seiner Gefolgsleute schießt auf die Glocken der Paulskirche und freut sich: „Bumm, des hat gsessn!“
Wie kommt es, dass Schriftsteller politische Verantwortung übernehmen? Was machen sie daraus? Was geschieht mit ihnen? Dahinter steht das große Thema vom Verhältnis von Traum und Wirklichkeit, die Frage, inwieweit sich Visionen einlösen lassen in der Realität – bis hin zu dem legendären Ausspruch eines Münchner Sozialdemokraten: „Na, macht’s halt Euer Revolution, damit a Ruah is!“
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecher
PETER WEISS