Veranstaltungsinfo
Gerd Holzheimer: Da schau her (Teil 1)
„Da schau her“ ist in doppeltem Sinne gemeint. Wer es bairisch ausspricht, wird diesen Ausruf mit einer kleinen Melodie zum Ausdruck bringen, voller Verwunderung: „Do schaug hea!“ In dieser Verwunderung kann Erstaunen, auch eine gewisse Abschätzigkeit, ebenso freilich eine Bewunderung ausgedrückt werden. Wer „Da schau her!“ eher hochdeutsch ausspricht, möchte auf gut Neudeutsch ausdrücken: Die sind aber gut aufgestellt! Hätte man sich gar nicht gedacht, was da alles zusammenkommt, im bosco an Möglichkeiten: denkerische, spielerische, immer poetische, die zugleich voller Ernst sind – wenn es einem behagt, mit Lachen die Wahrheit zu sagen (in vollem Bewusstsein, dass es eine Wahrheit nicht gibt, gar nicht geben kann).
Teil 1: Vom Schatten der Erkenntnis
Im Zeitalter gefälschter Nachrichten wird eine uralte Frage wieder dringlich, welche die Menschheit allerdings seit jeher beschäftigt: Was kann ich denn überhaupt sehen? Was nicht? Was kann ich erkennen? Ist das richtig, was ich wahrnehme? Macht mir jemand etwas vor? Oder mache ich mir sogar selber etwas vor?
An einigen Beispielen aus der Geistesgeschichte kann dieser Frage nachgegangen werden. Im berühmten Höhlengleichnis von Platon wird dieses Bild entworfen: Die Menschen können sich gar nicht wirklich sehen, nur ihre Schatten, von denen sie meinen, das wären sie selbst; dabei sind sie in Wahrheit Gefesselte. Und können sich nicht sicher sein, was Schein ist oder was Sein. Sie wollen gar nichts von einem Befreier wissen, der sie an das Licht, in die Freiheit führen möchte.
Kann uns das Orakel von Delphi weiterhelfen? Seherinnen wie Kassandra? „Du wirst ein großes Reich zerstören“, wird König Krösus (ja, der stinkreiche!) beschieden, aber er denkt nicht daran, dass es sein eigenes ist. Kassandra sagt den Untergang Trojas voraus, aber das will man auch nicht hören. In der Jetzt-Zeit hat Christa Wolf diesen Stoff noch einmal aktualisiert.
Zur Zeit der Romantik wurde der „Dichter“ zum „vates“, zum Seher stilisiert. Novalis feierte gerade seinen 250. Geburtstag. In Krisen sieht er eine Chance zum Umbruch. Was ist davon geblieben?
Im Schein kommt das Sein zur Erscheinung, insofern ist die Welt der Erscheinung auch wieder nicht wertlos. Bildung und Aufklärung tun zwar weh, aber umsomehr not!
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecher
HANS JÜRGEN STOCKERL wurde 1958 geboren und absolvierte seine Ausbildung an der Neuen Münchner Schauspielschule. Er ist auf verschiedenen Theaterbühnen und in Film und Fernsehen zu sehen. Seit 1988 ist er zudem Sprecher für zahlreiche Sendeanstalten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Als Sprecher kennt ihn das Publikum aus Radiohörspielen und durch seine Interpretation von Romanen, Spannungstiteln und Klassikern von Friedrich Ani über Nicola Förg bis hin zu Clemens Brentano.
Termine
23.11.2022 Teil 1: Vom Schatten der Erkenntnis
08.02.2023 Teil 2: Vom genauen Hinschauen
08.03.2023 Teil 3: Mit dem Herzen sehen