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Veranstaltungsinfo

Mi, 08.03.2023
20.00 Uhr
Literatur

15,00 / 8,00

Regulär / bis 25 Jahre

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Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Gerd Holzheimer: Da schau her (Teil 3)

Da schau her: Denkweisen, Horizonte, Utopien. Teil 3 der Literaturreihe mit Gerd Holzheimer.

„Da schau her“ ist in doppeltem Sinne gemeint. Wer es bairisch ausspricht, wird diesen Ausruf mit einer kleinen Melodie zum Ausdruck bringen, voller Verwunderung: „Do schaug hea!“ In dieser Verwunderung kann Erstaunen, auch eine gewisse Abschätzigkeit, ebenso freilich eine Bewunderung ausgedrückt werden. Wer „Da schau her!“ eher hochdeutsch ausspricht, möchte auf gut Neudeutsch ausdrücken: Die sind aber gut aufgestellt! Hätte man sich gar nicht gedacht, was da alles zusammenkommt, im bosco an Möglichkeiten: denkerische, spielerische, immer poetische, die zugleich voller Ernst sind – wenn es einem behagt, mit Lachen die Wahrheit zu sagen (in vollem Bewusstsein, dass es eine Wahrheit nicht gibt, gar nicht geben kann).

Teil 3: Mit dem Herzen sehen

Für Aristoteles steht das Staunen am Anfang aller Philosophie. Im Grunde ist nichts auf der Welt selbstverständlich. Wer das glaubt, bleibt bei Meinungen hängen, den Meinungen anderer. Mit dem Fragen, dem „Hinterfragen“ entsteht für den Fragenden ein neues Bild, in dem sich Zusammenhänge erkennen lassen, die verborgen schienen. Das Staunen wird zum Ausgangspunkt, sich auf einen geistigen Weg zu machen.

Dabei ist es gut, sich eine Unerschütterlichkeit zu bewahren, eine Unerschütterlichkeit der eigenen Seele. Auch dieser Weg ist seit langem vorgeprägt, etwa durch die Stoa. Marc Aurel, der Philosoph auf dem Kaiserthron, war in dem Gebiet, in dem wir heute leben, Herrscher. Er spricht von der Ataraxia – der Unerschütterlichkeit. Marc Aurel war ein „Kaiser wider Willen“, er wollte alles, bloß nicht „verkaisern“. 1979 bedachten Rechtsextremisten den Platz mit seinem Denkmal in Rom mit einem Bombenattentat, als könnten Rechtsextremisten etwas bedenken, aber weil sie dem aus ihren Augen linksgerichteten Senat ein Zeichen setzen wollten – wie durch ein Wunder wurde Marc Aurel nicht beschädigt, doch kam 1981 dennoch sein vorerster letzter Abend auf diesem Platz, bis er nach neun Jahren Restaurationsjahren zurückkehren konnte, als Kopie. Denn alles hatte er überstanden: Vandalenstürme und christlichen Fundamentalismus, Verwechslung, Umzug und Bomben, aber den sauren Regen nicht. Da hilft alles nichts, keine Unbekümmertheit der Seele, keine innere Freiheit, keine große Gelassenheit, keine ataraxia.

Vielleicht sollten wir einfach, zumindest wenigstens geistig, wieder einmal in den Wald gehen, etwa an der Hand von Henry David Thoreau und seinem Walden. Leben in den Wäldern, um uns wieder bewusst zu machen, was wir alles nicht brauchen. Was wir aber brauchen, gibt uns Exupérys kleiner Prinz mit auf den Weg: „Wir sehen nur, was wir mit dem Herzen sehen.“

Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecherin
CAROLINE EBNER

Termine
23.11.2022 Teil 1: Vom Schatten der Erkenntnis
08.02.2023 Teil 2: Vom genauen Hinschauen
08.03.2023 Teil 3: Mit dem Herzen sehen

Nach(t)kritik
Mit dem Herzen sehen
Nach(t)kritik von Christine Cless-Wesle

„Mit dem Herzen sehen…“ In der Reihe „Da schau her“ nahmen der Schriftsteller Gerd Holzheimer und Schauspielerin Caroline Joana Ebner ihr literarisch interessiertes Publikum mit auf eine geistig-philosophische Lese-Reise. Am Weltfrauentag begann der Abend im intimen Ambiente der Bar rosso höchst vergnüglich mit einem Text von Kurt Tucholsky über die Unvereinbarkeit weiblicher und männlicher Sichtweisen.  Unter Applaus mündete die Lesung im Hier und Jetzt:  Gerd Holzheimer empfahl die „Ataraxia“, nämlich die „Unerschütterlichkeit“ des Stoikers Marc Aurel „auf dem Kaiserthron“ allen aktuellen Machthabern dieser Welt.

„Da schau her“: In der dritten Gautinger Lesung zu „Denkweisen, Horizonte, Utopien“ im bosco nahm Moderator Gerd Holzheimer seine circa 40 versammelten Anhänger/innen mit auf eine literarische Entdeckungs- Reise.

Mit der Aufforderung „einfach mal zu staunen“, las Schauspielerin und Sprecherin  Caroline Ebner zunächst einen Text von Kurt Tucholsky: In altbekannter Manier versucht ein Ehepaar einen Witz zu erzählen, mit gegenseitigen  Unterbrechungen - und beide aus völlig unterschiedlicher Perspektive. Zum Finale sitzt der Mann mit dem halb erzählten Witz da, weil`s keine Einigung zwischen weiblicher und männlicher Sicht auf die Dinge gibt. Halt wie im richtigen Leben. Und das am Weltfrauentag.

„Du g`fallst mir“: Gerade heraus redet indes „Die Rumplhanni“ mit ihrem Metzgergesellen, der ein gläsernes Aug` hat, lobt Germanist Gerd Holzheimer bei der Lesung den bereits 1916 erschienenen Dienstboten-Roman seiner „großen“ bayerischen Schriftsteller-Kollegin Lena Christ.

„Ich bin Nomade, kein Bauer, an dem die Liebe hängen bleibt“: Nach einem melancholischen Text „alles ist trist“ aus den „Wanderungen“ von Hermann Hesse, der an Depressionen litt, ging`s ans Eingemachte, nämlich an die „stoische Ruhe.“

Zenon hatte die philosophische Schule der Stoa zur „Unerschütterlichkeit der Seele“ vor über 2 000 Jahren in Athen gegründet, erinnert Humanist Gerd Holzheimer.

Später philosophierte Marc Aurel, Roms „Kaiser wider Willen“, dessen Weltreich bis hierher nach Rätien reichte, ebenfalls über die „Ataraxia“, nämlich die „Seelenruhe“, erinnert Gerd Holzheimer.

Danach liest Caroline Ebner Fragmente:

„Hüte dich, dass du nicht ein tyrannischer Kaiser wirst“, fordert Marc Aurel auch die heutigen Machthaber/innen dieser Welt zu „liebreichem“ Tun, zu gemeinnützigen Werken auf - und die Zuhörer im bosco applaudieren begeistert.

Und hier schließt sich der Kreis zum "Sehen mit dem Herzen":  Marc Aurel, dem „Kaiser wider Willen“, der „nicht verkaisern wollte“ hat Rom dereinst ein  Denkmal gesetzt. An der Säule treffen sich nämlich noch  heute junge Paare und huldigten der „Abraxia“,  der stoischen Unerschütterlichkeit, denn: „Was braucht man denn anderes als diese `Supi-Hardware` damit man zusammenbleibt?“ fragt Gerd Holzheimer mit den Worten eines zeitgenössischen ITlers.

Die Lesung endet tröstlich mit dem einfachen Leben des „Waldens“: An der Hand des Autors Henry David Thoreau „sollten wir einfach mal in den Wald gehen“, um festzustellen, „was wir alles nicht brauchen“, empfiehlt Literat Gerd Holzheimer.

Mit „Der schiefe Hut“, einer köstlichen Erzählung von Kurt Tucholsky, entlässt das glänzend eingespielte Duo Caroline Ebner/ Holzheimer seine begeisterten Zuhörer/innen schließlich in die Nacht - allesamt mit einem amüsierten Lächeln im Gesicht.

 

Galerie
Bilder der Veranstaltung
Mi, 08.03.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.