Veranstaltungsinfo
Gerd Holzheimer "Die Liebe höret nimmer auf" (3): Alte Liebe rostet nicht – Die fortgeschrittene Liebe
In der Reihe „Die Liebe höret nimmer auf“ geht es um das älteste Thema der Menschheit – und das ist die schönste Sache der Welt, oder? Leider nicht, nicht nur. Oder auch Gott sei Dank nicht. Wäre die Geschichte nicht eine so schön komplizierte, gäbe es auch nicht so viele wunderbare Texte auf dieser Welt.
Der griechische Philosoph Plato geht von dem Bild aus, dass der Mensch einst die Gestalt einer Kugel hatte, bis diese Kugel in zwei Hälften geteilt wurde. Seither suchen sich die beiden Hälften, sie möchten sich wieder vervollständigen. Diese Suche ist die Sehnsucht, die bald zutiefst beglückend, bald auch voller Schmerz sein kann.
Sie sucht die Erfüllung, die zutiefst beglückend ist – und immer neue Wiederholung wünscht, weil alle Lust Ewigkeit will, aber eben nicht permanenten Bestand hat. Gefahr neuer Befremdung, wenn nicht Entfremdung droht. Nie bleibt die wiederhergestellte Einheit ohne weiteres bestehen, schon gar nicht von selber. Schmerz steht zu befürchten, so dass neue Sehnsucht entstehen kann: die Kugelgestalt wieder zu erneuern oder Bestandteil einer neuen Kugelform zu werden. So gehen Sehnsucht und Erfüllung eine eigentümliche Partnerschaft ein.
Ob die Erfüllung der Tod der Sehnsucht ist, wie manche meinen, oder ihr beglückendes Ziel, ist Gegenstand unendlich vieler Geschichten, weil unendlich vielen Menschen in ihrem Leben diese Geschichten begegnen. Wir geben uns ganz einfach diesen Erzählungen hin.
Teil 3: Alte Liebe rostet nicht – Die fortgeschrittene Liebe
„Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle“, so steht es in 1.Korinther 13,1. Und wer möchte schon „tönendes Erz“ werden oder „klingende Schelle“? Auch im fortschreitenden Alter? Gerade da nicht! Alte Liebe rostet nicht, wenn sie denn eine Liebe war und ist. Viel wird bemüht, was man braucht, um „gemeinsam alt“ werden zu können: Toleranz, die Fähigkeit, Kompromisse zu schließen und Humor, viel Humor, so viel man nur aufbringen kann, rundum Geduld. Geduld, um auch das Vertrauen in hochfliegende Visionen nicht zu verlieren. „Du bist der einzige Mensch, der fliegen kann“, schreibt die „wilde Gräfin“ Franziska zu Reventlow, dem Philosophen Ludwig Klages: „Und ich möchte noch einmal fliegen. Und unsere Flügel sind noch nicht lahm, wie wir manchmal glauben. Du mußt nur sehr viel Geduld mit mir haben ... Es wird aber auch unsere Stunde kommen, wo wir miteinander fliegen.“
„Verliebt, verheiratet, verheiratet“ so wurde in längst vergangenen oder vielleicht auch nie vorhandenen Zeiten eine scheinbar natürliche Abfolge festgeklopft. Inzwischen müsste man in etwa der Hälfte der Fälle noch „geschieden“ hinzusetzen. Nicht alle Paare kommen in den Genuss des seltenen Glücks, eine silberne Hochzeit feiern zu können. Auch wenn es selbst zu diesem Fest leicht der Fall sein kann, dass gestritten wird, wie unser Weltweiser Karl Valentin einmal mehr weiß: „Muss denn immer an meiner silbernen Hochzeit gestritten werden?!“ Weise Paare wissen, dass die Liebe nicht ohne Leid bleiben kann, das war so und das wird so bleiben, das war schon so in dem Minnelied des Dietmar von Eist „Lieb ohne Leid, das kann nicht sein“. Liebende, denen dies schon mitten in der schönsten Erfüllung klar ist, haben eine echte Chance, ein altes glückliches Paar zu werden.
Auf die Formel „Bis dass der Tod euch scheidet“ haben große Liebespaare gar keine Lust, Philemon und Baucis zum Beispiel. Ovid beschreibt die beiden in seinen Metamorphosen. Sie wollen gemeinsam sterben, wenn es so weit ist, oder genauer gesagt: in einen anderen Zustand übergehen. Sie waren Hüter eines Tempels, bis Baucis ihren Philemon mit Laub bedeckt erblickt, und der alte Philemon, dass Baucis mit Laub bedeckt ist. „Und als schon über beider Antlitz ein Wipfel wuchs, sagten sie zugleich: „Leb wohl, Gemahl!“, da bedeckte und verbarg das Geäst ihre Münder. Jetzt noch zeigt der Bewohner Thyniens dort nebeneinander stehende Baumstämme, die aus den beiden Leibern entstanden sind.“
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecher
HANS-JÜRGEN STOCKERL
HANS-JÜRGEN STOCKERL wurde 1958 geboren und absolvierte seine Ausbildung an der Neuen Münchner Schauspielschule. Er ist auf verschiedenen Theaterbühnen und in Film und Fernsehen zu sehen. Seit 1988 ist er zudem Sprecher für zahlreiche Sendeanstalten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Als Sprecher kennt ihn das Publikum aus Radiohörspielen und durch seine Interpretation von Romanen, Spannungstiteln und Klassikern von Friedrich Ani über Nicola Förg bis hin zu Clemens Brentano.