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Veranstaltungsinfo

Mi, 28.10.2015
20.00 Uhr
Literatur

15,00
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Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Gerd Holzheimer: Saubande, dreckade: Die komische Kunstkammer

Kosmos, so lautet der Titel von Alexander von Humboldts Hauptwerk, mit dem Untertitel Entwurf einer physischen Weltbeschreibung, einem Weltentwurf, in dem er nichts weniger vor hat, als die Welt „en gros und en detail“ in seiner Beschreibung zu versammeln. Das gehört auch zum Prinzip einer Kunstkammer, wie sie in der Zeit der Renaissance entwickelt worden ist: Kosmos auf kleinstem Raum zu verdichten und damit abzubilden. Nach den Abenden über das Christliche Abendland, der Geopoetik der Städte, der Begegnung zwischen Orient und Okzident und den poetischen Flusslandschaften im bosco wird die „Kunstkammer“ der Kunstgeschichte auf eine literarische Veranstaltungsreihe übertragen: der Versuch, eine unüberschaubar gewordene – oder schon immer gewesene – Welt in einem kleinen Modell darzustellen, auf kleinstem Raum, in spielerischer Form, auf höchstem Niveau. Zur Zusammenstellung einer Kunstkammer gehört immer auch schon unabdingbar die unwiderstehliche Lust des Sammlers, alles nur Erdenkliche zu seinem Thema aufzulesen, so auch hier: Nacheinander werden verschiedene Räume einer großen Kunstkammersammlung eröffnet, eine kosmische Kunstkammer, eine komische, eine abgedrehte, eine exotische und schließlich eine erotische. Herzlich Willkommen zur Kunstkammer bosco, der sinnlichen Art, der Welt Poesie abzugewinnen!
Mit Vernunft ist der Wirklichkeit nicht beizukommen, die Dinge haben ihre eigene Logik, und ihr nachzuspüren, gehört zu Valentins Lebensprogramm. Ähnlich wie die Dadaisten versucht er nicht, der Welt einen Sinn zu geben, den sie nicht hat, sondern stellt sie gleich als sinnlos dar - freilich noch einmal in parodistischer Übertreibung. Mit dem absurden Theater haben seine Texte oft die Kreisbewegung als typische Grundfigur gemeinsam: es gibt keinen Anfang und kein Ende, der Mensch ist am Schluss so gescheit wie zu Beginn, nämlich gar nicht. Auch Nestroy ist einer, der gern nicht zum Schluss kommt: "Wenn alle Strick reißen, häng ich mich auf". Dieser dialektischen Struktur seiner Gedanklichkeit bleibt Nestroy in vielen seiner Dialoge treu: "Wenn ich mir einen Verdruß nit versaufet," sagt Knieriem in Der böse Geist Lumpacivagabundus, "ich müßt' mich grad aus Verzweiflung dem Trunk ergeben." Mit Fug und Recht lässt er sich als Weltweiser bezeichnen, vor allem in jenen Belangen, welche die Menschheit als ihre "moralischen" zu bezeichnen pflegt: "... bis neun Uhr dauert die Sittlichkeit, aber um viertel auf zehn beginnt die Stunde des Verdachts." Aber "die Frauen hams gut: rauchen tuns net, trinken tuns net und Frauen sans selber." Nestroy hat kein System, auch als Philosoph nicht. Und über das Verhältnis zu Wahrheit und Wirklichkeit sagt er: "Ich sag's, 's kann nix G'spaßigers geb'n/Als wenn d' Leut in der Einbildung leb'n." Denn "wenn der Aff' wüßt', er ist ein Aff', wäre er ein Mensch." Der gute Mensch aber ist ein fader Mensch, der schlechte bleibt freilich ein Ungustl. Daran  schließt unmittelbar „Die totale Brutalität“ des Helmut Qualitinger an. Das Lachen der Götter sieht Bohumil Hrabal als ein Krachen von Gegensätzen an und der romantische Philosoph Franz Xaver von Baader erkennt im Lachen das befreiende „Brechen der Angstspitze“. Einen Jux wollen wir uns machen an diesem Abend und vielleicht auch etwas vom Wesen des Komischen erfahren und seiner fundamentalen Bedeutung wider den Fundamentalismus jeder Colour.
 
Sprecher: Peter Weiss
 
Nach(t)kritik
Von der Normativität des Erikativs
Nach(t)kritik von Sabine Zaplin
Das Wort „Witz“ hat eine lange Begriffsgeschichte. Schon im Althochdeutschen kannte man „wissan“, was so viel wie Wissen und Verstand bedeutet. Das mittelhochdeutsche „wizze“ beschrieb den gesunden Menschenverstand, und noch zu Lebzeiten Goethes  galt als Witz jene Fähigkeit, besonders überzeugende, „gewitzte“ Bilder für einen Tatbestand zu benennen. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass die Fähigkeit zum Humor mit einem scharfen Verstand einhergeht. In diesem Sinne eröffnete „Die komische Kunstkammer“ – der zweite Teil der Literaturreihe „Kunstkammern“ von und mit Gerd Holzheimer – aufschlussreiche und zugleich hochamüsante Einblicke in den Mikrokosmos besonders gewitzter Schriftsteller aus dem süddeutschen Raum.
Angereichert mit zahlreichen persönlichen Anekdoten ließen der Wesslinger Schauspieler und Rezitator Peter Weiss und der Gautinger Schriftsteller Gerd Holzheimer „witzige Köpfe“ wie den fränkischen Querdenker Jean Paul, den österreichischen Wortakrobaten Johann Nestroy, den Grenzgänger Ödön von Horvath, den oberbayrischen Querschädel Oskar Maria Graf und natürlich auch den Würmtaler Pierrot Karl Valentin zu Wort kommen. Frei nach dem Motto, dass die beste aller Welten jene ist, die in der Kunstkammer Hirn ihren Platz findet, wurde hier eine Tür aufgemacht, die den Blick freigab auf den Globus des Abgründigen, voll Tiefgang und manch einer terra incognita.
„Wenn alle Strick reißen, häng ich mich auf“, lautet das Lieblingszitat Gerd Holzheimers, ausgesprochen hat es Johann Nestroy, der keinesfalls jener Schmierenkomödiant war, als der er häufig auf den Bühnen des Landes herunterinszeniert wird. Nestroy verstand mit Sprache umzugehen wie kaum ein anderer Zeitgenosse, er war ein Virtuose des gewitzten Bildes, wie das Nestroy-Alphabet, in falscher Richtung rezitiert von Z wie Zufall bis A wie Alkoholismus von Peter Weiss und mit süffigen Fußnoten versehen von Gerd Holzheimer. Vom Alkoholismus aus Verdruß an der Verzweiflung weiß Knierim aus dem „Lumpacivagabundus“ zu berichten, und es war ebendieses Theaterstück Nestroys, das Peter Weiss noch als Schüler zum Theater brachte – damals in einer Schultheateraufführung des Gymnasiums Tutzing.
Ein „Beutebayer“ ist Johann Paul Richter, der sich selbst aufgrund seiner Verehrung des Aufklärers Jean Jaques Rousseau den französischer klingenden Namen Jean Paul gab. Seine größtenteils heute nicht mehr wirklich zu verstehenden und sehr gern in germanistischen Hauptseminaren zerpflückten Bücher – mit Titeln wie „Siebenkäs“ oder „Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch“ – bersten vor Witz im Sinne von Verstand. Wenn beispielsweise eine Romanfigur aus der Geschichte heraus ihren Kopf hervorstreckt und darum bittet, der Herr Johann Paul möge kommen und sie charakterisieren, weil eben dieser allein das könne, so ist dies hochmodern und zugleich von perfider Komik. Zu Recht weist Gerd Holzheimer darauf hin, dass in Schwarzbach an der Saale nicht nur ein versteckter Gedenkstein dem Humoristen Jean Paul gewidmet ist, sondern ein zweiter Stein auf die Micky-Maus-Übersetzerin Erika Fuchs hinweist, die der deutschen Sprache einen eigenen Fall gewidmet hat – den Erikativ. All die „Ächzs“und „Stöhns“ der Comics stehen in diesem Fall, Gerd Holzheimers Lieblings-Erikativ lautet „Achselzuck“.
Was aber bringt den Menschen zum Lachen? Was genau löst diesen so besonderen, menschlichen Reflex aus? Holzheimer hat sich, als er eine Biographie über den Satiriker Gerhard Polt schreiben sollte, einen ganzen Sommerurlaub lang mit dieser Frage beschäftigt und tief in der Kulturgeschichte gewühlt. Das Ergebnis lautet: die Sprache selber stellt den Auslöser für das befreiende, herzliche Lachen. Sie haben es gewusst, all die Nestroys, Thomas, Valentins und Polts, und kein Geringerer als Oskar Maria Graf hat es einem seiner Helden ausgerechnet in der Sterbestunde in den Mund gelegt: „Lachen tat ich, wann ma nachert an falschen Glauben g´habt hättn!“
 
Galerie
Bilder der Veranstaltung
Mi, 28.10.2015 | © Werner Gruban