Veranstaltungsinfo
Gerd Holzheimer: Mir ham! (Teil 3)
An drei Abenden geht es am ersten (MI 08. DEZ 2021) um ein Lebensgefühl des „Mir ham“, nicht triumphal, jedoch voller Seins-Gewissheit. Am nächsten, Variante zwei (MI 19. JAN 2022) um ein Durchwurschteln, was nicht unbedingt das Schlechteste sein muss, und am dritten (MI 23. FEB 2022) um Perspektiven der unterschiedlichsten Art, wie man durchkommen kann, weiterkommen kann, zumeist mit einer gewissen Selbst-Distanz und Humor am besten.
Teil 3: „Vom Apostel der Nächstenliebe zum verlorenen Lächeln einer Raupe – Perspektiven des Menschseins“
Wie man ein Leben sich ansieht, sein eigenes, das der anderen, lebenden oder schon längst vergangenen, ist – es hört sich natürlich platt an – eine Frage der Perspektive. Gleichwohl erscheint es oft hilfreich, sich die ein oder andere anzuschauen, zur eigenen Orientierung. Das soll an diesem Abend der Fall sein – in die verschiedensten Richtungen.
Mit Hölderlin gehen wir nach Griechenland, er lebt im Mythos der Antike, ungebrochen, er glaubt, dass wir alle einmal beisammen waren, mit den Griechen, ganz unmittelbar mit ihren Göttern, Dichtern, Philosophen: „Im Arme der Götter wuchs ich groß.“ Doch gleichzeitig vergisst er nicht, wie eigentümlich „schwer zu fassen“ das Göttliche ist, das so nah ist, weil es in uns ist: eigentlich müsste es so leicht zu spüren sein – und doch: „Nah ist / Und schwer zu fassen der Gott.“ Die Poesie wird dem Menschen zur rettenden Kraft.
Dazu passt, wie Iwan Karamasow in Dostojewskis Roman Die Brüder Karamasow den Menschen sieht: als „Probewesen“. Dieses Probewesen ist immer unterwegs, sucht sein Wesen, kommt sich abhanden und schwankt in seinem Erscheinungsbild. Das Gottesbild in Dostojewskis Figuren ist voll qualvoller Zerrissenheit: „Neben dem Zweifel an Gott besteht die Unfähigkeit nicht an ihn zu glauben.“ Die verändernde Macht des Menschen besteht in seiner Fähigkeit zum Mitleid. Fürst Myschkin in dem Roman Der Idiot: ein Apostel der Nächstenliebe.
Sehr beruhigend wirkt auch ein Blick in die Naturkunde. Zum Beispiel in das Buch Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung von Arnulf Conradi. Er fragt nach dem Spielerischen in der Natur, an der Freude an Flugkapriolen von Vögeln, am offenkundigen Spaß etwa des Staren, andere und anderes nachzuahmen bis zum Klingeln von Straßenbahnen und Handytönen.
Erstaunliche Ruhe strahlt auch aus die Insektopädie von Hugh Raffles. Der Verfasser ist eigentlich Anthropologe, doch streift er bei seinen Betrachtungen der Insekten durch die verschiedensten Felder der Wissenschaft, Philosophie, Anthropologie, Zoologie, Wirtschaft und Populärkultur, so dass der Mensch mit einem ganz neuen Blick in Korrespondenz mit den Mitbewohnern auf diesem Planeten tritt. Er bemerkt die erstaunliche Vollkommenheit der kleinen Tiere: „In minimis tota este – In den Kleinsten ist alles“, und fühlt sich selbst in das Wesen einer Raupe hinein, wenn sie „mit einem verlorenen Lächeln schlüpft“.
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecherin
JUDITH TOTH
JUDITH TOTH studierte von 2000 bis 2003 Schauspiel in München und arbeitet seitdem als freischaffende Schauspielerin. 2005 wurde sie von Jochen Schölch für die Produktion Suburban Motel am Bayerischen Staatsschauspiel engagiert. Danach folgte eine weitere Produktion unter der Regie von Thomas Langhoff für das Stück Brand. Seit 2006 ist sie vermehrt am Metropoltheater in München tätig. Sie wurde mehrfach für verschiedene Produktionen ausgezeichnet, u.a. mit dem bayrischen Kunstförderpreis.
Neben mehreren Filmproduktionen, wie zum Beispiel dem Komödienstadel, ist Judith Toth seit 2017 regelmäßig in der Serie „Daheim in den Bergen“ in der Rolle der Karin Leitner zu sehen.