Hattori Hanzo (1541 – 1596) war ein berühmter Samurai und Krieger im feudalen Japan des 16.Jahrhundert – aus dieser Wikipedia-Erkenntnis ableitend dürfen wir mal annehmen, dass sich das Trio Hans Enzensberger, Manfred Mildenberger und Igor Kjusic unter Verwendung des Plurals(?) „Hanzi“ zu modernen Kriegern der Jazz-Musik erklärt hat. Im bosco lieferten die Drei unter dem Namen „Hattori Hanzi“ nun einen Dschungelkampf, der das Publikum zweieinhalb Stunden quer durch die Stilgeschichte scheuchte und durchaus bewaffnet stattfand: Enzensberger bedient dabei eine „Hammond B 3“-Orgel, die schon zur gemeinsamen Samurai-Zeit mit Drummer Mildenberger bei „Organ Explosion“ zum Einsatz kam und beispielsweise bei einem Auftritt in Feldafing das dortige Stromnetz bedenklich zum Schwanken brachte. Dieses Wunder-Gerät klingt namentlich wie ein Porsche und ist zumindest eine Art Rolls-Royce unter den Elektro-Orgeln; es bringt eine Spannweite von Tönen und Klangfarben hervor, die ihresgleichen sucht – entsprechend schillernd und vielfältig waren dann auch die insgesamt neun überbordenden Stücke, mit denen „Hattori Hanzi“ den scharfen Säbel schwangen. Darunter fanden sich akustische Muster, die man aus alten Edgar-Wallace-Filmen zur Spannungsuntermalung kannte (also wenn etwa der „Hexer“ in Erscheinung tritt) oder aus „Orion“-Folgen, wenn das Raumschiff sich aus dem Badewannenstrudel erhebt. Der Bezug zu den sechziger Jahren ist kein Zufall, denn in jener Dekade waren Elektroorgel-Töne der letzte Schrei. Doch Enzensberger, der beim Gautinger Konzert mitunter zwei Tastaturen gleichzeitig bewirtschaftete, lässt sein raumgreifendes Monstrum in allen möglichen Spielarten von der Leine: „Samba-Punk-Elektro-Jazz mit einem Hauch Schlager“ schrieb ein deutlich beeindruckter Kritiker mal über diese Fülle - der Kollege hatte noch Funk, Blues, Kinderlieder, Nummern im „Pink Panther“-Stil und Electronica vergessen.
Der dominierende „Rolls-Royce“ brauchte natürlich ordentliche Gegengewichte. In Form von Manfred Mildenbergers explosivem Drumming und dem eher moderierenden Part des E-Bassisten Igor Kjusic war das Gottseidank gewährleistet, denn „Hammond pur“ hält auf Dauer kein Mensch aus. So aber durfte man sich assoziativ an andere Beispiele aus der jüngeren Musikgeschichte erinnert fühlen – an „Camel“ etwa, an „Material“ oder „Defunkt“. Auch den leichtfüßigen Song „You are the apple of my eye“ meint man an einer Stelle herauszuhören, und später beschreibt Enzensberger eine folgende Nummer als „Kinderlied“, ohne dessen Titel zu verraten.
„Hattori Hanzi“ konstruieren und dekonstruieren musikalische Vorlagen, sie dosieren die melodiösen Elemente manchmal sehr sparsam, um drumherum einen wahren Sturm zu entfachen. „Keine Geschenke“, sagt Enzensberger zwischendurch und meint eigentlich Weihnachten. Das konterkarierende Spiel mit dem Idyll, die jähe Steigerung zum Inferno, aber auch das Herunterregeln der schieren „PS-Zahl“ der „Hammond B 3“ für kaum noch wahrnehmbare, leise Momente gehören zu seinem Markenzeichen. Zu Beginn des zweiten Sets fordern die drei „Krieger“ ihr Publikum mit einer gefühlt 20-minütigen Darbietung zwischen „sphärisch“ und „entfesselt“ ganz besonders: Die Orgel als „atmendes Wesen“, unberechenbar. Kjusics Bass: Mittler zwischen den Gewalten, aber auch solo ein Ausrufezeichen. Wie zur Versöhnung folgt dann das Unschuldsstück „Just Have A Good Time“, das einem im Vergleich zum vorherigen fast schon seicht vorkommt. Als Dankeschön an den „Lokalmatador“ und Leiter der Musiksparte des „bosco“, Ludwig Seuss (mit dem Mildenberger musikalisch schon lange zusammenarbeitet), beendet bei der stürmisch eingeforderten Zugabe ein schöner langsamer Blues den Abend. Danach durfte der „Rolls“ wieder in die Garage.