„Wir hören heute Musik von Erik Satie“: Gemeinsam angestimmter Gesang erfüllt an diesem Samstag-Nachmittag den großen bosco-Saal. Heinrich Klug, dem langjährigen ersten Solo-Cellisten der Münchner Philharmoniker und Talentförderer, gelang eine musikalisch und tänzerisch erstklassige satirische Aufführung „Spaß mit Musik von Erik Satie.“ Stimmsolistin Salome Kammer, Nachwuchs- Tänzerinnen des Ballettensembles der Musikschule Gilching, aber auch „Jugend-musiziert“-Preisträger*innen verzauberten das Publikum aus drei Generationen.
„Jack in the box“: Mit der raffiniert, vor 100 Jahren komponierten Unterhaltungsmusik eröffnet das Jugend-musiziert- Ensemble das Satie-Konzert mit Heinrich Klug am Flügel ansteckend schwungvoll.
Den Marsch „Le Picadilly“ intoniert das Gautinger Jungtalent David Schönlebe mit Heinrich Klug vierhändig und so mitreißend, dass es eine wahre Freude ist.
Mit sieben Stücken für Klavier erobern kleine, hervorragend einstudierte Balletttänzerinnen aus der Talentschmiede der Choreographin Hannelore Husemann-Sieber von der Musikschule Gilching die Publikums-Herzen im Sturm.
Der skurrile französische Komponist Erik Satie (1866 –1925) „war ein komischer Kauz und nie verheiratet“, erzählt Moderator Klug. Nur seine selbst geschriebenen Briefe, die per Post zurückkamen, habe er geöffnet. Und Fremde waren nie in seiner Wohnung. So kam`s, dass die Noten des schwungvollen Konzert-Auftakts „Jack in the box“ erst nach seinem Tod gefunden wurden.
„Ich bin fast 100 Jahre tot, aber ich liebe Kinder und Tiere – und ich gestehe: Ich war früher selbst ein Kind“: Im schwarzen Bowler betritt der Pariser Spaziergänger Erik Satie persönlich die bosco-Bühne. Begeistert intoniert das Publikum „Die musikalischen Kinder“ mit gemeinsamem Frosch-Quaken und finalem „Kikeriki“ des Gockels.
Köstlich sind die getanzten Szenen „Sports et Divertissements“ für Klavier, Klarinette, Posaune, Schlagzeug und Klavier. Zu den colorierten Zeichnungen von Charles Martin hatte Satie witzige Stücke komponiert: In „Die Schaukel“ wippen zwei kleine Ballettänzerinnen unterm schwebenden Herz des Komponisten. Ein glänzender Slapstik ist „Tango“, der Solo-Tanz des Teufels, „um sich abzukühlen.“ Oder „das Feuerwerk“ mit Bändertanz. Bunte Riesen-Ballons fliegen von der Bühne ins Publikum.
„Jungstar Raphael Oetiker“ aus Gauting am Schlagzeug, am Marimbaphon, Glockenspiel und Gong erntete bei der Instrumentenpräsentation Sonderapplaus.
„Satie musste Geld verdienen“, tingelte als Klavierspieler durch Pariser Cafés und Kabaretts, erzählt Heinrich Klug. So entstanden seine sogenannten „Cafe-Concert-Lieder“: Paulette Darty, der Pariser Sängerin vor 100 Jahren, hat Satie das Chanson „La Dive de`l Empire“ auf den Leib geschrieben. Auf Deutsch singt Sopranistin Salome Kammer bei der bosco-Aufführung mit ihrer flexiblen vollen Stimme zur Klavierbegleitung von Heinrich Klug über „Wahrheit und Schein“, denn: „Ich bin dein.“ Balletttänzerinnen auf der Bühne drehen dazu synchron im Takt ihre Pirouetten.
Mit dem revolutionären Universalkünstler Jean Cocteau, inspiriert vom chinesischen Zauberer Chung Ling, komponierte Avantgardist Erik Satie die Musik fürs Ballett „Parade“: Kein Geringerer als Pablo Picasso übernahm für das Ballett die Kostümentwürfe nebst Bühnen-Ausstattung mit 170 Quadratmetern Stoff für den Bühnenvorhang, erzählt Heinrich Klug. Sein künstlerisches Vorbild war Sergej Diaghilew, der Manager des berühmten „Ballet Russe.“ Doch die Pariser Uraufführung des Zirkusballetts „Parade“ am 18. Mai 1917 war ein Skandal: Ein französischer Kritiker schrieb: „Der unharmonische Clown Eric Satie hat seine Musik aus Schreibmaschinen und Rasseln komponiert. Sein Komplize, der Stümper Picasso, spekuliert auf nie endende Dummheit der Menschen“, zitiert Heinrich Klug. Satie antwortete dem Kritiker per Postkarte: „Mein Herr und lieber Freund. Sie sind nur ein Arsch, aber ein Arsch ohne Musik.“ Amüsiertes Lachen im Gautinger Publikum.
Und danach folgt eine wunderbare Aufführung der „Parade“ für Violine, Klarinette (Oliver Klenk), Posaune (Magdalena Mocker) und Schlagzeug mit Zauberer David Schönlebe am Klavier. Akrobatin Elena Engelhardt erntete Sonder-Applaus für Räder mit Überschlag, Gehen im Handstand, Brücke rückwärts, Grand-Jeté-Sprünge und ein makelloses Attitude derriere. Die Zwillingsschwestern Elisabeth und Franziska Aumiller begeistern mit ihrem witzigen Pas de deux als Clowns-Paar, die eine auf Spitze.
„Unter meinem großen Hut geh` ich spazieren und tu`niemals frieren“, singt die mit roter Boa kostümierte „Paulette Darty“, glänzend gemimt von Salome Kammer, zur „Band“-Musik Saties von der bisher vergeblichen „Suche nach der Liebe meines Lebens.“ Und da kommt sie die Liebe – in Gestalt eines perfekt kostümierten Riesen-Elefanten mit vier Mädchen- Beinen.
Die mitreißende Aufführung mündet im temporeichen Tanz mit malerischem Schlussbild – und dem gemeinsam angestimmten Titellied „Wir hörten heute Musik von Erik Satie.“ Kräftiger Applaus, Getrampel für eine phantastische Inszenierung auf hohem Niveau.