Das waren schon ordentliche Kaliber, die Herbert Schuch da aufgefahren hat. Obgleich es sich hier um nur klein dimensionierte Stücke handelte, die allerdings von ihren Schöpfern nach unterschiedlichen Konzepten zu umfangreichen übergeordneten Kontexten arrangiert waren. Dass sie so groß rauskamen, lag aber nicht nur an der Dramaturgie, die in der Gruppierung der Stücke eine beachtliche Kraft hervorbringen konnte. Die bisweilen monumentale Größe entsprang vielmehr dem Zugriff Schuchs, der eine enorme Spannweite in der Dimensionierung vorsah. Zwischen zartesten Pianissimo-Piano-Rücknahmen und gewaltigen Donnern – in Beethovens Fuga der Diabelli-Variationen riss sogar eine Saite – tat sich ein beachtlicher Raum auf, in dem sich noch viele Nuancen anboten.
Mit zaghaften Entwicklungen gab sich Herbert Schuch nicht ab. Die extremen Ausprägungen spielten hier schon eine vordringliche Rolle. Doch standen sie auch nie ohne Kontext. Schon im ersten Intermezzo der Vier Klavierstücke op. 119 von Brahms demonstrierte Schuch seine interpretatorische Idee. Aus lyrischem Sinnieren erwuchsen Verdichtungen von tektonischen Volumina, die sich nahezu eruptiv Gehör verschafften, um dann wieder in der Versenkung zu verschwinden. Und dies galt auch für den Ablauf des gesamten Werkes, das – obwohl erst nachträglich zusammengefügt – von Anfang an die Schluss-Rhapsodie als Ziel- und Höhepunkt anvisierte. Die drei Intermezzi zuvor schaukelten Schuchs Stimmungen in weiten Wogen wirkungsvoll empor, bevor er in der Rhapsodie alle Risoluto-Hebel in Bewegung setzte.
Entscheidend bei Schuchs Zugriff war seine Fähigkeit, Expression und Kraft aus dem Inneren der Werke wirksam werden zu lassen. Keine protzigen Muskelspiele also, sondern Befreiung innerer Spannungsladungen. Ganz besonders in Beethovens Diabelli-Variationen, die der Komponist dem spaßigen Thema des Verlegers Anton Diabelli zum Trotz in soliden architektonischen Körpern konstruierte. Hier ging es entschlossen an die Substanz – die des Werkes und der Zuhörer, die Schuch hier in die Pflicht nahm, sich mitreißen zu lassen.
In diesem Programm ging es Herbert Schuch aber gewiss auch um brillante Virtuosität, die tatsächlich fast durchgehend präsent blieb. Ja, sie stand sogar im Mittelpunt, als es um die Paganini-Variationen von Brahms ging. Es ist faszinierend, wie entschieden es dem Komponisten gelang, die violinistische Akrobatik der Paganini-Vorlage aus dem Capriccio Nr. 24 des op. 1 aufs Klavier zu übertragen, ohne dabei an Brillanz einzubüßen.
Dass Bachs Englische Suite Nr. 3 g-Moll (BWV 808) hier gegenüber Brahms bestehen konnte, lag vor allem an der Intensität der Interpretation. Hier kam Schuchs Tiefgang nahezu spektakulär zum Vorschein. Vor allem im relativ frei gehaltenen Prélude, das so ziemlich alle nur vorstellbaren Stimmungen hervorzubringen vermochte. Die Klavierstücke, die Brahms zum Abschluss seiner pianistisch-kompositorischen Laufbahn zusammenarrangierte sind kein Abgesang, als vielmehr ein Versuch, die einzelnen Suitentänze als eigenständige Kompositionen zu untermauern.Um solche Ideen schienen sich auch Beethovens „33 Variationen über einen Walzer von Anton Diabelli“ op. 120 bewegt zu haben, die eine Menge Stimmungen und Versuchungen durchliefen, bevor Schuch mit der Fuga zum Finale blies. Es blieb nur noch die Schlussvariation, die nach den virtuosen Sätzen erstaunlich still den Schlusspunkt setzte. Lang anhaltende Ovationen und eine Zugabe: ein Choralvorspiel von Bach.