„Wie kann man in diesen Zeiten Kabarett machen?“ frage sich HG Butzko gleich zu Beginn am Donnerstagabend im bosco, um dann im ersten Teil des Abends eine Reihe von Beobachtungen zum gegenwärtigen Krieg in der Ukraine und dem, was diesem in den vergangenen Jahren vorausging, zu machen. Es waren Beobachtungen, Rückschlüsse und Gedanken, die tatsächlich nichts mit Satire zu tun hatten und darum auch alles andere als zum Lachen waren. Beobachtungen wie die, dass die Unterscheidung zwischen Gut und Böse immer gekoppelt an die Perspektive ist und dass der Vorwurf, die eine Seite würde nichts als Propaganda von sich geben, während man selber nichts als die Wahrheit verlautbaren ließe, ebenfalls perspektivabhängig sei. Kabarettisten, so HG Butzko, dürfen und müssen sogar den Finger in die Wunden auf der eigenen Seite, bei den eigenen Leuten legen. Und natürlich tut das weh. Sich einzugestehen, dass man während des letzten Irakkriegs hinsichtlich der angeblich dort hergestellten Massenvernichtungswaffen einer - vorsichtig gesagt - Falschvermutung aufgesessen ist, tut weh. Und dass der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk in seinen Aussagen sehr häufig - wieder mal vorsichtig gesagt - über das Ziel hinausschießt, beschäftigt zahlreiche Kommentator*innen auch schon seit einiger Zeit. „Wo bleibt eigentlich diese Cancel Culture, wenn man sie mal braucht?“ fragt HG Butzko sich uns das Publikum, um dann immer wieder deutlich zu sagen, dass es für den Angriffskrieg Russlands keine Entschuldigung und schon gar keine Zustimmung geben darf. Aber ebenso wenig ist es angebracht, Wolodimir Selenski in den Heldenstatus zu erheben. Heldenverehrung ist eigentlich nie angebracht. „Ich bin froh und dankbar, in einem Land zu leben, wo ich auf der Bühne stehen und diese Sachen überhaupt sagen darf“, sagt Butzko.
Im zweiten Teil des Abends blieb er nicht weniger persönlich, lieferte nun aber Realsatire von der brillantesten Art. Ausgehend von einem Satz, den Rudi Assauer einst geprägt hat und der lautet: Wenn der Schnee schmilzt, kommt darunter die Kacke zum Vorschein - ausgehend davon also berichtete HG Butzko vor dem Hintergrund dessen, was die Corona-Pandemie alles offenbar werden ließ, von seinem jüngst erfahrenen Krankenhausaufenthalt in einer Berliner Klinik. Er war für einen chirurgischen Eingriff dorthin eingewiesen worden und durfte bereits im Vorgespräch erfahren, dass sowohl der digitale Erfassungsstandard als auch das tatsächliche Auffassungsvermögen des augenscheinlich vollkommen übermüdeten Personals zu einer „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Erfahrung Anlass gab. Wie oft er allein seine Unverträglichkeitserfarung mit einem bestimmten Medikament wiederholen musste, lässt sich kaum noch zählen. Dass er dann aber, nach mehreren Aufnahme-Anläufen, die immer wieder an abgelaufenen Dienstzeiten scheiterten, aus der Narkose aufwachst und seine Frau am Krankenbett feststellt, dass die Schwester gerade im Begriff ist, ihm das mehrfach von ihm als unverträglich benannte Medikament intravenös zu verabreichen und seinen Hinweis darauf mit der Bemerkung abtut: „Ja, das weiß ich wohl, das steht hier ja in Ihrer Akte“, grenzt an Absurdität kafkaschen Ausmaßes. Die Geschichte, gerade von HG Butzko vorgetragen, klingt urkomisch und löst gewaltige Lachanfälle aus. Tatsächlich aber offenbart sich darin jene „Kacke“, die Assauer meinte und die gegenwärtig den Schnee durch Corona schmelzen lässt: ein Gesundheitssystem, das die in ihm arbeitenden Menschen vollkommen aus den Augen verloren hat und diese darum zu ausgelaugten, überarbeiteten, häufig nur noch - und im Zweifelsfall eben nicht mal - funktionierenden Hüllen hat werden lassen. Wie sagte die Verkäuferin in einem Berlioner Supermarkt, an deren Kasse die Schlange immer länger wurde und die erfolglos um Verstärkung ersucht hat, als ein Kunde sie wiederholt anpflaumte? „Se sehen doch: es passiert nüscht.“ Woraufhin die Kunden sich in ihr Schicksal ergaben. Und die Schneeschmelze hat gerade erst begonnen.