Veranstaltungsinfo
Holzheimer-Reihe "Ich und die Welt" (2): Leben wie der Grüne Heinrich
2. Leben wie der Grüne Heinrich: Gottfried Keller und Peter Handke
Mit dem Grünen Heinrich schafft Keller den vielleicht bedeutendsten Bildungsroman nach Goethes Wilhelm Meister. Wie sehr Keller auf Goethe Bezug nimmt, was vor allem das Wesen des künstlerischen betrifft, zeigt diese Passage aus dem Grünen Heinrich: „Denn wie es mir scheint, geht alles richtige Bestreben auf Vereinfachung, Zurückführung und Bereinigung des scheinbar Getrennten und Verschiedenen auf einen Lebensgrund, und in diesem Bestreben das notwendige und Einfache mit Kraft und Fülle und in seinem ganzen Wesen darzustellen, ist Kunst; darum unterscheiden sich die Künstler nur dadurch von den anderen Menschen, dass sie das Wesentliche gleich sehen und es mit Fülle darzustellen wissen, während die anderen dies wieder erkennen müssen und darüber erstaunen, und darum sind auch alle die keine Meister, zu deren Verständnis es einer besonderen Geschmacksrichtung oder einer künstlichen Schule bedarf.“
Der Grüne Heinrich blieb 1855 bei seinem Erscheinen ohne größere Beachtung – erst Paul Heyse brachte den bereits 52-jährigen und zu der Zeit als Züricher Stadtschreiber tätigen Schweizer wieder ins Bewusstsein der deutschsprachigen Literatur-Welt zurück. Zu Lebzeiten Kellers wurden von dem Roman 1000 Exemplare verkauft. Möchte noch jemand vom Kulturpessimismus unserer Zeit sprechen?
In Peter Handkes Roman Der kurze Brief zum langen Abschied wird dem Ich-Erzähler allerdings von seiner amerikanischen Freundin Claire vorgeworfen, er wolle ja noch immer – und das im Amerika des 20. Jahrhunderts – so leben wie der Grüne Heinrich, „so gemütlich wie er nach und nach erleben“. Dieser Mann will also auch noch die Brechung von Fiktion und Wirklichkeit ignorieren, wie sie im Grünen Heinrich selbst schon angelegt ist. Dennoch, die Vision bleibt, und zwar als Vorstellung „einer anderen Zeit, in der man noch glaubte, dass aus einem nach und nach ein andrer werden müsse und dass jedem einzelnen die Welt offenstehe“. Immer wieder möchte man so leben, wie in dem Buch, das man gerade liest, gelebt wird.
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecherin
CAROLINE EBNER
Mit dem Grünen Heinrich schafft Keller den vielleicht bedeutendsten Bildungsroman nach Goethes Wilhelm Meister. Wie sehr Keller auf Goethe Bezug nimmt, was vor allem das Wesen des künstlerischen betrifft, zeigt diese Passage aus dem Grünen Heinrich: „Denn wie es mir scheint, geht alles richtige Bestreben auf Vereinfachung, Zurückführung und Bereinigung des scheinbar Getrennten und Verschiedenen auf einen Lebensgrund, und in diesem Bestreben das notwendige und Einfache mit Kraft und Fülle und in seinem ganzen Wesen darzustellen, ist Kunst; darum unterscheiden sich die Künstler nur dadurch von den anderen Menschen, dass sie das Wesentliche gleich sehen und es mit Fülle darzustellen wissen, während die anderen dies wieder erkennen müssen und darüber erstaunen, und darum sind auch alle die keine Meister, zu deren Verständnis es einer besonderen Geschmacksrichtung oder einer künstlichen Schule bedarf.“
Der Grüne Heinrich blieb 1855 bei seinem Erscheinen ohne größere Beachtung – erst Paul Heyse brachte den bereits 52-jährigen und zu der Zeit als Züricher Stadtschreiber tätigen Schweizer wieder ins Bewusstsein der deutschsprachigen Literatur-Welt zurück. Zu Lebzeiten Kellers wurden von dem Roman 1000 Exemplare verkauft. Möchte noch jemand vom Kulturpessimismus unserer Zeit sprechen?
In Peter Handkes Roman Der kurze Brief zum langen Abschied wird dem Ich-Erzähler allerdings von seiner amerikanischen Freundin Claire vorgeworfen, er wolle ja noch immer – und das im Amerika des 20. Jahrhunderts – so leben wie der Grüne Heinrich, „so gemütlich wie er nach und nach erleben“. Dieser Mann will also auch noch die Brechung von Fiktion und Wirklichkeit ignorieren, wie sie im Grünen Heinrich selbst schon angelegt ist. Dennoch, die Vision bleibt, und zwar als Vorstellung „einer anderen Zeit, in der man noch glaubte, dass aus einem nach und nach ein andrer werden müsse und dass jedem einzelnen die Welt offenstehe“. Immer wieder möchte man so leben, wie in dem Buch, das man gerade liest, gelebt wird.
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecherin
CAROLINE EBNER