Veranstaltungsinfo
Holzheimer Reihe "Ich und die Welt" (3): Nachsommer und Auslöschung
3. Nachsommer und Auslöschung: Adalbert Stifter und Thomas Bernhard
Dass Adalbert Stifter ein furchtbar langweiliger Schriftsteller ist, wird manchen aus seiner Schulzeit ein Leben lang verfolgen. Man kann ihn aber auch als geradezu erschreckenden Autor der Moderne lesen. Er versucht, schreibend eine Welt zu konstruieren, die er am Untergehen sieht. Verzweifelt versucht er jedes Detail festzuhalten, weshalb der Roman Nachsommer, den er in der erklärten Nachfolge von Goethes Wilhelm Meister geschrieben hat, etwas umfänglich gerät. Die Frage ist jedoch: Ist Stifter eigentlich wirklich so langweilig, wie man ihm nachsagt, oder wimmelt es in seinen scheinbar endlosen Satzsequenzen nur so von Abgründen, die uns möglicherweise verdammt bekannt und modern vorkommen? Steht dahinter nicht der Versuch, noch einmal alles zusammenhalten zu wollen, was in dieser Welt auseinanderdriftet? Nicht umsonst schreibt einer seiner Biographen schon im Titel von „dieser fürchterlichen Wendung der Dinge.“ Dazu passt, dass er an Essen und Trinken in sich hineinstopft, was nur geht. Täglich schickt seine Frau Amalie aus Linz mit der Kutsche ganze Fuhren Hühner, Tauben, Krammetsvögel und Rebhühner hinauf zu ihm nach Kirchschlag, sein Kurrefugium.
Ein Dauergast in Kurorten war auch Stifters ebenfalls österreichischer Schriftsteller-Kollege Thomas Bernhard. Bei ihm führt Verzweiflung über politische wie eigene körperliche Zustände nicht zur Resignation, sondern zu aggressiver Forciertheit im schreiben. Statt um Konstruktion geht es Bernhard um Destruktion. Mit diesem Roman ist endgültig ein radikaler Bruch des Ordnungsbildes Habsburger Mythos vollzogen. Und doch lässt sich auch hier gegen den Strich fragen: Ist Thomas Bernhard nicht eigentlich vielleicht ein Komiker? Er selbst sagt über die Auslöschung, er habe „a paar ernsthafte Sätze geschrieben, damit die Lachsätze zusammengehalten werden“. Es geht um eine Tragödie, die gleichzeitig eine perfekte und perfide Komödie ist.
Was für ein Sommer hätte sein können, wenn einer gewesen wäre versus Auslöschung: zwei Lebensprogramme, die auch Zustände unserer Welt beschreiben?
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecher
CHRISTIAN BAUMANN
Dass Adalbert Stifter ein furchtbar langweiliger Schriftsteller ist, wird manchen aus seiner Schulzeit ein Leben lang verfolgen. Man kann ihn aber auch als geradezu erschreckenden Autor der Moderne lesen. Er versucht, schreibend eine Welt zu konstruieren, die er am Untergehen sieht. Verzweifelt versucht er jedes Detail festzuhalten, weshalb der Roman Nachsommer, den er in der erklärten Nachfolge von Goethes Wilhelm Meister geschrieben hat, etwas umfänglich gerät. Die Frage ist jedoch: Ist Stifter eigentlich wirklich so langweilig, wie man ihm nachsagt, oder wimmelt es in seinen scheinbar endlosen Satzsequenzen nur so von Abgründen, die uns möglicherweise verdammt bekannt und modern vorkommen? Steht dahinter nicht der Versuch, noch einmal alles zusammenhalten zu wollen, was in dieser Welt auseinanderdriftet? Nicht umsonst schreibt einer seiner Biographen schon im Titel von „dieser fürchterlichen Wendung der Dinge.“ Dazu passt, dass er an Essen und Trinken in sich hineinstopft, was nur geht. Täglich schickt seine Frau Amalie aus Linz mit der Kutsche ganze Fuhren Hühner, Tauben, Krammetsvögel und Rebhühner hinauf zu ihm nach Kirchschlag, sein Kurrefugium.
Ein Dauergast in Kurorten war auch Stifters ebenfalls österreichischer Schriftsteller-Kollege Thomas Bernhard. Bei ihm führt Verzweiflung über politische wie eigene körperliche Zustände nicht zur Resignation, sondern zu aggressiver Forciertheit im schreiben. Statt um Konstruktion geht es Bernhard um Destruktion. Mit diesem Roman ist endgültig ein radikaler Bruch des Ordnungsbildes Habsburger Mythos vollzogen. Und doch lässt sich auch hier gegen den Strich fragen: Ist Thomas Bernhard nicht eigentlich vielleicht ein Komiker? Er selbst sagt über die Auslöschung, er habe „a paar ernsthafte Sätze geschrieben, damit die Lachsätze zusammengehalten werden“. Es geht um eine Tragödie, die gleichzeitig eine perfekte und perfide Komödie ist.
Was für ein Sommer hätte sein können, wenn einer gewesen wäre versus Auslöschung: zwei Lebensprogramme, die auch Zustände unserer Welt beschreiben?
Konzeption & Moderation
GERD HOLZHEIMER
Sprecher
CHRISTIAN BAUMANN