Nach(t)kritik von Christine Cless-Wesle
Die Weltklasse-Geigerin Julia Fischer zum „Tee bei Sabine.“
Gauting – „Schon beim Eintritt ins Otto-von-Taube-Gymnasium mit zehn Jahren war ich Geigerin.“ Es war das große Highlight der Reihe „Tee bei Sabine“ – und für die Gautinger. Im Gespräch mit Moderatorin Sabine Zaplin erzählte die am Ort aufgewachsene, weltbekannte Konzertgeigerin und 33 Jahre junge Münchner Hochschul-Professorin Julia Fischer offen, aber auch sehr reflektiert über ihre große Karriere als Musikerin.
Trotz traumhaften Spät-Sommer-Wetters war der Publikums-Andrang enorm: „Tee bei Sabine“ fand deshalb ausnahmsweise im großen bosco-Saal statt. Als Julia Fischer die Bühne betritt, applaudieren die Gautinger „ihrer“ Musikerin.
„Ich war ja eigentlich nie wirklich weg“, scherzt Julia Fischer. Die Geigerin ist nämlich hier am Ort aufgewachsen – und mit ihrem Mann und den beiden Kindern wieder hierher zurückgekehrt, denn: „Das ist meine Heimat. Hier bin ich zu Hause.“
Schon im zarten Alter von vier Jahren begann die Tochter einer slowakischen Klavierlehrerin mit dem Geigenspiel.
Hat sie denn da in ihrer frühen Kindheit nicht irgendetwas vermisst? , will Moderatorin Sabine Zaplin wissen.
„Für mich war das total logisch und stimmig“, antwortet die Vollblut-Musikerin lachend – und: „Ich habe mich deutlich weniger gelangweilt als Gleichaltrige.“ Ihr Tagesablauf „war klar“ – mit Üben auf der Geige oder dem Klavier.
„Mit acht, neun Jahren wusste ich: Konzerte sind meine Leidenschaft.“ Ihre weiteren Karriereschritte sind Atem beraubend: Mit 11 gewann die Gautingerin den Yehudi-Menuhin-Wettbewerb – „und beim Eintritt ins Gymnasium w ar ich schon Geigerin.“ Konzerte am Abend kollidierten gelegentlich mit der Mathe-Schulaufgabe am nächsten Morgen. „Doch die Prioritäten waren klar: Ich habe selber entschieden, dass ich nachmittags übe.“
Julia Fischer hatte von Anbeginn eine pädagogische Ader. Den zwei Jahre jüngeren Schulfreund und heutigen Komponisten Johannes X. Schachtner ermunterte die damalige Gymnasiastin, sich an der Münchner Musikhochschule zu bewerben – mit Erfolg.
So kam`s, dass die Gautinger Klinge-Kultur-Preisträgerin von 1994 bei der Preisverleihung an Johannes X. Schachtner 2009 die einst versprochene Laudatio hielt. Julia Fischer war zu diesem Zeitpunkt schon international gefeierte Konzert-Geigerin und Hochschul-Professorin.
Auch mit einer anderen bekannten Solo- Geigerin aus Gauting, mit Lena Neudauer, verbindet Julia Fischer eine gewachsene Freundschaft: „Unsere Kinder gehen hier gemeinsam in die Schule.“
„Jede Begegnung mit meinen Kollegen lässt mich lernen“, bekennt die Solistin, die unter so berühmten Dirigenten wie Ricardo Muti spielt.
Weil deshalb alle Musiker “Kammermusik lieben“ gründete die Gautingerin das Julia-Fischer-Quartett. Doch da fliegen bei Proben „schon mal die Fetzen.“
Mit ihrem langjährigen „engsten“ Freund, dem Cellisten Daniel Müller- Schott, „diskutiere ich alles.“ Ebenso mit dem Bratschisten Nils Mönkemeyer.
„Man ist Künstler oder nicht“: Ihren Studenten rät die gradlinige Hochschulprofessorin von „oberflächlichen“ Barfuß-Auftritten ab. Weder verkaufte CDs noch Musikkritiker, deren Texte sie in der Regel gar nicht liest, entschieden über die Karriere einer Konzertgeigerin, sondern ausnahmslos „die Kollegen und Dirigenten.“
Im lockeren Gespräch verrät die Musikerin aus Leidenschaft, dass ihr Publikum in Asien glatt ein bis zwei Generationen jünger ist, als der übliche „Silbersee“ im Gautinger bosco: In Korea sind Klassikliebhaber nämlich „im Durchschnitt 22 Jahre jung“ - und stehen Schlange für ein Autogramm mit Julia-Fischer-Foto. Warum das so ist, weiß aber auch die weltberühmte Geigerin nicht.
Heute Carnegie Hall London, morgen St. Petersburg oder Wien, übermorgen Japan: Wie schafft die Ausnahme-Musikerin ihre „50 bis 60 Konzerte im Jahr?“. Wohl gemerkt „in Elternteilzeit.“
Julia Fischer lacht: „Schon in meiner Schulzeit musste ich auf Konzertreisen.“ Mit 16 Jahren raus aus dem Flieger von San Francisco – und dann direkt zur „Faust-Klausur“ ans Gautinger Gymnasium. Das härte ab. Und bei der Betreuung „unserer beiden Kinder hilft der ganze Familienclan mit: Mein Mann, die Großeltern.“ Anders würde das auch eine Julia Fischer nicht schaffen.