„Good music stimulates the spirit, it´s kind of therapeutic.“ Wohl wahr, was Leroy Jones da zwischendurch sagt – gute Musik regt den Geist an und ist so etwas wie Therapie. Dem bosco-Publikum dürfte der Abend unter der Überschrift „Jazz creole“, was so viel wie verrückte Jazz-Mischung bedeutet, in der Tat die pure Labsal gewesen sein: Viele Standards und auch weniger Bekanntes vom großen Louis Armstrong, jede Menge eindrucksvoller Liebeserklärungen an New Orleans und dazu, inmitten der vorzüglichen Fünf-Mann-Band „European Finest“, ein höchst verbindlicher, warmherziger Leroy Jones an der Trompete. Der kommt aus den verschiedenen Lobgesängen bald gar nicht mehr raus, weil er die Leute auf seine liebenswürdige Art immer wieder wissen lässt, wie sehr er es zu schätzen weiß, dass sie so ein Live-Konzert dem Download aus dem Internet vorgezogen haben. Und Leroy preist nicht nur ausdrücklich die Akustik des Saals („The sound is exquisit here!“), er bedankt sich für jeden einzelnen Applaus, den die Soli den Zuhörern immer wieder zu Recht entlocken – es wird auf diese Weise ein Abend gegen-seitiger aufrichtiger Dankbarkeit, was will man mehr?
Die vier „Europäer“, die Jones für eine Tour durch die Niederlande, Belgien und „Bayern, nicht Deutschland“ (Leroy betont das extra) um sich geschart hat, bringen ausnahmslos ihre eigene Handschrift mit und „funktionieren“ doch als Ganzes auf bemerkenswerte, geradezu spektakuläre Weise: Der Deutsche Uli Wunner, der Jones bei seinem New Orleans-Besuch 2015 für die Europa-Sause gewinnen konnte, agiert an der Klarinette (und bei Gelegenheit auch am Altsaxophon) Seite an Seite mit dessen Trompete derart „passgenau“, als hätten beide am Mississippi schon miteinander im Sandkasten gespielt – immer wieder türmt sich ihr Gebläse zum finalen High Tone auf, frisch und Richtung Chicago Modern Style weiterentwickelt gegenüber der traditionell noch eher bluesig-schleppenden Südstaaten-Manier. Dem Traditionellen bleiben Leroy und seine reifen Herren durchaus treu, wobei sich der meist mit hartem, klarem Tastenanschlag arbeiten-de Holländer Harry Kanters mit „Tea for two“ einen Ausflug ins Stride Piano der Dreißiger Jahre gestattet und der Belgier Karel Algoed sich immer wieder erfolgreich auf die ewige Suche nach dem Melodiösen eines Kontrabass-Solos begibt – auch den Youngster der Combo, Stephan Treutter an den Drums, juckt es natürlich in den Fingern, die Reihe solcher „Statements“ zu komplettieren.
Die Zügel in der Hand behält freilich der in New Orleans gebürtige Leroy, der vor allem den ersten Set zu einer einzigen Liebeserklärung für seine Heimatstadt, die „Southern Queen“ und ihre Menschen macht: „Do you know what it means to miss New Orleans?“ heißt so ein Song, der nach dem Hurrikan „Cathrina“ enstand und zu dem Jones nicht nur singt, sondern auch eine ziemlich helle Stimme ertönen lässt. Es ist eine Ode an die Unverwüstlichkeit des Südens, den Überlebenstrotz und das Sommergefühl, das einen dort umschmeicheln kann. Als „Paradise On Earth“ hat sogar eine finnische Komponistin diesen magischen Ort beschworen, wie Leroy erzählt. Es ist dies auch ein Abend, an dem er abwesende Freunde „zu Wort kommen“ lässt, über ihre Kompositionen zum Beispiel: Jones hat ihnen ver-sprochen, dass er „ihr“ Stück spielen wird im vielleicht fernen Europa. Und als Beweis nimmt er den Live-Gig für den offenbar ernstlich erkrankten Freund sogar auf i-Phone auf, samt dem Applaus, den die Gautinger gerne dazu spenden. Und wieder bedankt sich Leroy auf denkbar berührte, herzliche Art.
Im zweiten Set folgt dann eine Art Hommage an Louis Armstrong, dessen rauen Gesang Leroy erst gar nicht nachzuahmen versucht, doch mit einiger Würde singt er das weltumarmende „What a wonderful world“ eben auf „seine“ Weise. Auch mit einem wenig bekannten, melancholischen Stück des einstigen Piano-Spielers Ray Charles („Hard Times“) wissen die „European Finest“ zu überraschen, und der Latin-Bossa-Nova-Samba-Abstecher schmeckt „frisch wie vom Baum“. Jones, der Warmherzige, wirkt trotz halsbecherischer Trumpet-Wagnisse derart tiefenentspannt bei all dem, dass man ihm sogar beim Schluck aus der Mineralwasserflasche jazzige Töne zutraut. Sein einstiger Trompeten-Mentor Blue Mitchell muss ihm diese souveräne Art beigebracht haben, die durch-aus auch mal ins Deftige lappen kann, wenn er sagt: „The gear for love is F...“ Das braucht man wohl nicht unbedingt zu übersetzen – wir sind hier doch im Süden, oder?