Viele Künstlerinnen und Künstler mussten aufgrund der Corona-Massnahmen umschulen. Schauspieler sind jetzt Schreiner, Musikerinnen gestalten Skulpturenparks, und Kabarettisten arbeiten als Berater. „Mephisto-Consulting“, heißt das neue Geschäftsmodell von Matthias Deutschmann, und den Job als Berater hat er, klug wie er ist, ausgezeichnet verstanden. Ein. guter Consulter berät nicht, sondern lässt seine Kundschaft selber auf die Lösungen kommen. Genauso funktioniert auch Kabarett, zumindest jenes, für das ein politischer Kabarettist wie Matthias Deutschmann bisher stand. Es beginnt mit der Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Phänomene, beispielsweise die Genderdebatte, führt dann in eine kritische Analyse des Beobachteten und lässt am Ende das Publikum seine eigenen Schlüsse daraus ziehen. Bei „Mephisto-Consulting“ gehört auch noch eine gute Portion Selbstkritik dazu, wenn sich Berater Deutschmann vorstellt als „älterer weißer Mann aus Westeuropa“, der schon mal die Parole „Check your privileges“ ausgibt, ebenso woke wie en vogue. Die Handlungsempfehlung für die um Toleranz und Achtsamkeit bemühten Mit-Privilegierten gibt es auch: beim Schach nur noch mit weißen Figuren auf einem weiß-weißen Feld spielen, ohne das Privileg, als erster ziehen zu dürfen, denn „Ziehen-Dürfen ist strukturelle Gewalt“.
Kabarett sei auch nicht mehr zeitgemäß, erklärt der Berater. Schließlich komme der Begriff aus dem Französischen, auch die Gattung selber stamme aus Frankreich, und sei damit, auf deutschen Brettern ausgeübt, eine Form der kulturellen Aneignung. Das Vokabular des Consulting hat Matthias Deutschmann sich längst angeeignet. Es seien etwa dreißig Vokablen aus dem Consult-Speech, erklärt er. „Affin“ gehört dazu und unbedingt auch „Resilienz“. Solche Begriffe zeichnen sich im Gegensatz zum Politik-Speech, wo „Wumms“ reicht, durch eine gepflegte Fremdwörterbuchnähe und geschickt vorgetäuschtes Herrschaftswissen aus. Höchst Faust-affin und mit einer mephistophelischen Resilienz gegenüber allen Gefährdungen des Geistes nimmt sich Mephisto-Consulting Institutionen wie die Bundeswehr vor, wo sich großer Beratungsbedarf ausmachen lässt, und beobachtet hier eine ganz neue Faszination: einstige Punks wie Campino würden sich heute durchaus in Uniform vorstellen können. Deutschmann hingegen kann sich ein nach dessen Band benanntes Bataillon vorstellen: Die Toten Hosen. Und warum sollte die Bundeswehr dann nicht gleich die Lach- und Schießgesellschaft kaufen sollen? Schließlich bieten sich hier schon beim Namen jede Menge Assoziationen an.
Zur politischen Situation hält sich Deutschmann, schon ganz der neutrale Berater, mit Spitzen - außer Anspielungen auf die Größe des Kanzlers, die sich eher auf dem Gag-Niveau der zu GroKo-Zeiten in keinem Kabarettprogramm fehlenden Raute bewegten - eher zurück. In einer Gegenwart, in der Fussballtrainer - hier ganz bewusst nicht gegendert - sich hinsichtlich ihrer Strategien differenzierter ausdrücken als Politiker und Politikerinnen, scheint politisches Kabarett an seine Grenzen zu stoßen. Vermutlich ist all das „Wumms“- und „Wende“-Gerede aber auch das Ergebnis erfolgreichen Consultings. „Denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein“, sagt Mephisto. Dieses aber aufzuspießen, gut zu würzen, durchgebraten anzurichten und hinreißend aufzutischen, ist die Kernkompetenz des Kabaretts. Vielleicht braucht dieses, nach der langen Coronapause, auch mal wieder ein gutes Consulting. Wie wäre es mit dem Amphytrion-Consulting für eine Kleist-affine Verwechslungs-Resilienz? Check your privileges!