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Veranstaltungsinfo

Sa, 19.09.2020
20.00 Uhr
Kabarett

22,00 / 10,00

Regulär / bis 25 Jahre | Restkarten ggf. ab 19:15 Uhr an der Abendkasse erhältlich

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Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Matthias Deutschmann: Notwehr für Alle!

Matthias Deutschmann steht seit 40 Jahren auf den kleinen und großen Bühnen dieser Republik. Über ein Dutzend Soloprogramme sind dabei herausgekommen, mit handfesten Titeln wie „Eine Schnauze voll Deutschland”, „Wenn das der Führer wüsste”, „Deutsche, wollt ihr ewig leben?". Das neue Programm „Notwehr für Alle” folgt weiter dem roten Faden des politischen Kabaretts durch das pandemisch-politische Labyrinth dieser Tage.

Gestern ging es noch darum, zusammen mit Greta den Planeten zu retten. Heute müssen wir uns an das Zusammenleben mit einem antikapitalistischen Virus gewöhnen. Es befällt nicht nur die Lunge, sondern auch die Phantasie und setzt Verschwörungstheorien frei. Die Regierenden mutieren zu Dirigierenden, gemäß der uralten Weissagung des Propheten Höcherl, der da sagte: „Man kann nicht die ganze Zeit mit dem Grundgesetz unterm Arm herumlaufen.“ Was tun? Wallenstein hatte seinen Astrologen. Merkel einen Virologen. Der Philosoph Jürgen Habermas hat das Berliner Robert Koch Institut am besten beschrieben: „So viel Wissen über unser Nichtwissen gab es noch nie.“

Alles weitere erfahren Sie mündlich und mit dem gebotenen satirischen Abstand zum um sich greifenden Wahnsinn....

Mit der fulminanten, musikalischen Unterstützung durch den Pianisten Helmut Lörscher.

Musik HELMUT LÖRSCHER, Klavier
 

Nach(t)kritik
Nachdenken über den Zustand der Demokratie
Nach(t)kritik von Sabine Zaplin

Es soll an dieser Stelle nicht noch einmal erörtert werden, dass die gegenwärtige Situation und die mit dieser einhergehenden Maßnahmen zu einer besonderen Situation im Zuschauersaal führen - in allen Zuschauersälen derzeit. Doch dass ein zum Drittel des Üblichen geschrumpften Publikum und ein mit diesem konfrontierter Kabarettist zunächst ein wenig fremdeln im Umgang miteinander, muss gesagt werden. Ein Kabarettist wie Matthias Deutschmann lebt von der Interaktion mit dem Publikum, er muss die Schwingungen spüren, die im Saal entstehen und die sich in Zwischenrufen, vernehmlichen Luftholen oder bekräftigendem Applaus manifestieren. Die rund hundert Zuschauerinnen und Zuschauer haben sich nach Kräften bemüht, diese Atmosphäre aufkommen zu lassen, doch die Möglichkeiten sind hier natürlich begrenzt.

Trotzdem war es ein gelungener Abend, der gleich in mehrfacher Hinsicht die Sytemrelevanz von politischem Kabarett bewiesen hat: durch die Tatsache seines Stattfindens in einem dieser Relevanz gewidmeten Haus; durch die vom Hunger nach solchen Abenden sprechende Aufmerksamkeit des Publikums und nicht zuletzt durch das Programm selber. „Notwehr für alle!“ lautete der Titel dieses neuen Abends, das Cello hat Deutschmann diesmal nicht dabei, stattdessen stand ihm in dem Jazzpianisten Helmut Löscher ein Partner zur Seite, der in der Improvisation zuhause ist und die noch frischen, noch nicht vollständig im Gedächtnis verankerten Texte Deutschmanns wie ein Dialogpartner aufgriff und auf der Tastatur weiterspann.

Siebzig Minuten umfasse die Kabarettlizenz, die er erhalten habe, erklärt Matthias Deutschmann gleich zu Beginn, und dass es nicht zu den Kernaufgaben eines Kabarettisten gehöre, die Anweisungen der Seuchenpolizei durchzusetzen. Stattdessen gab er eine messerscharfe Analyse des gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskurses, den ja  vor allem kennzeichnet, dass alle bisherigen, womöglich gar zementierten Positionen durcheinandergewirbelt sind und nicht mehr so rasch, vielleicht nie wieder ihre Gültigkeit zurückerlangen werden. So muss beispielsweise jeder, der mit einem Kabarettprogramm auftritt, sich fragen, welche Stellen im Programm von welcher gesellschaftlichen Gruppe nun als diskriminierend empfunden werden könnten. Er habe keinesfalls etwas dagegen, Minderheiten vor Duskriminierung zu schützen, erklärt Deutschmann, doch befremde es ihn durchaus, Minderheiten durch ein kleines Sternchen zu kennzeichnen. „Lautes Nachdenken über die Demokratie“, nennt er das, was er tut. Und denkt laut nach, auf einem sprachlichen Niveau, das selten geworden ist auf der Bühne und das davon zeugt, dass die Sprache dieses Künstlers, der dieselbe sogar im eigenen Namen trägt, in erster Linie identitätsstiftend ist für ein Land, dessen Bewohner nach eben dieser Sprache benannt sind - „sonst müssten wir ja Deutschländer heißen, und das ist ein Würstchen im Kühlregal“.

Eine Erkenntnis aus dem lauten Nachdenken über Demokratie ist, dass diese zur Zeit von vielen Seiten angegriffen wird, ohne dass bei einer dieser Seiten ein vernunftgeprägtes Handeln zu erkennen ist. Auch auf politischer Seite ist, in den Reaktionen auf die Angriffe, wenig festzustellen. „Die Vernunft“, so Deutschmann, „hat keinen festen Wohnsitz in Berlin.“ Stattdessen hat die Angst das Regiment übernommen. Das ist in anderen Ländern nicht viel anders - auch wenn mit der Wahl von Trump vor vier Jahren viele dem Kabarett zu goldenen Satirezeiten gratulierten, so ist diese vollkommene Abwesenheit von Vernunft kein wünschenswerter Zustand. Und möglicherweise ist das eine zweite, bisher unbemerkte Pandemie, deren Schäden noch gar nicht abzusehen sind.

Galerie
Bilder der Veranstaltung
Sa, 19.09.2020 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.