Er ist der Eleganteste unter den Kabarettisten, ist im Laufe der vielen Bühnenjahre dazu geworden, den Lauten, Schnellen, Polternden, Gags Abfeuernden zum Trotz - der Mann mit dem Cello, Matthias Deutschmann. Seine Eleganz entstammt seiner sprachlichen Stilsicherheit, die er virtuos zu gestalten und zu präsentieren versteht. Und nicht zuletzt verdankt er sie dem Instrument, das ihm eine charmante Erdung verleiht. Auch an diesem Abend stellt das Cello den Grundton, wird zum Rankstock, um den sich die zahlreichen Aperçus winden, wird im zweiten Teil dann auch zunehmend zum Halt und Rettungsanker, wenn die Wogen der Improvisation über dem Redekünstler zusammenzuschlagen drohen.
„Wie sagen wir´s dem Volk?“ lautet der Titel des neuen Programms, das Matthias Deutschmann im bosco vorstellt. Das klingt nach „elder statesman“, und in die Rolle des Stammesältesten, der angesichts einer zunehmend undurchschaubar werdenden Welt das Staatsober-Haupt irritiert schüttelt, fällt Matthias Deutschmann schon qua Name: „Deutschmann, dieser Name lockt jetzt immer mehr AfD-Anhänger in mein Programm“, bemerkt er und stellt verwundert fest, dass die gemeinsame Sache von Kabarettist und Kabarettpublikum - die satirische Kritik an den herrschenden Machtverhältnissen - still und leise abhanden gekommen ist. Dabei wäre Material genug vorhanden, vom Brexit über Orbans Ungarn bis hin zur US-Wahl. Doch „früher lagen die Themen auf der Straße, jetzt fliegen sie uns um die Ohren.“ Und dann noch AfD-Anhänger im Publikum. Wer ist da Volk, und wer sagt wem von welcher Warte aus was? Verkehrte Welt.
Wie gut, wenn man da wenigstens ein Cello hat. Im ersten Teil mag Matthias Deutschmann gar nicht hinter seinem Instrument hervorkommen. Auf dem links von ihm, mit einigem Abstand, stehenden Tisch liegt das Manuskript des Programms, doch: „Eigentlich habe ich gar keine Lust, es zu spielen.“ Stattdessen streicht er lieber mit dem Bogen über die Saiten oder lässt diesen gar nur neckisch über dieselben springen. Lässt nebenbei, so en passant, eine Vielzahl von Spitzen fallen, gar so, wie die Spitze des Cellostachels im Bühnenboden steckt. Spitzen über die Kanzlerin, die nur wenige Stunden zuvor bekannt gegeben hat, dass sie zur nächsten Bundestagswahl einmal mehr als Kanzlerkandidatin der CDU antreten wird. „Da hat sie unendlich lange drüber nachgedacht“, beobachtet Deutschmann, „sie ist keine Frau der schnellen Entscheidungen.“ Und stellt fest, dass 2017 ihr Jahr werden dürfte: „500 Jahre Luther, 100 Jahre Oktoberrevolution“, die beiden Fixsterne am Himmel der Kanzlerin.
Auch zur US-Wahl sitzen Deutschmanns Spitzen zielsicher. „Das hatten wir nicht auf dem Schirm, wir Gebildeten, SZ-Abonnenten, Gutbürgerlichen, dass es in Amerika Wähler gibt, die sich für Trump entscheiden“, stellt er fest und befürchtet, dass das Weiße Haus nun braune Flecken bekommen wird. Doch auch hierzulande nimmt die Dichte der braunen Farbsprenkel zu, wird aus „Schunkeldeutschland“ schon wieder „Dunkeldeutschland“, und ein „Horrorclown“ wie Donald Trump dürfte auch hier sein Pendant hinter mancher Grinsemaske finden.
Nicht mehr ganz so geschliffen spitz wie der erste Teil des Programms ging es nach der Pause weiter. Die Cello-Improvisationen wurden nun länger, die zuvor noch zielsicher ins Schwarze treffenden Assoziationsketten kreisten nun um entlegenere Themen wie das Alte Testament und Moses`Auszug aus Ägypten. Doch man verzeiht Matthias Deutschmann sehr viel, auch mal einen Texthänger (den er charmant zu entschuldigen versteht). Schließlich gerät jemand, der etwas wagt, auch schneller ins Stolpern. Oder bietet, in seinen Worten, „zu viel Trefferfläche“. Bühnenkünstler, die ohne Gagschnellfeuerwaffen an die Front gehen, riskieren auch mehr. Hut ab!