Es gibt Konzerte, die wie Fußballspiele verlaufen: In der 1.Halbzeit ein ödes 0:0, und nach dem Wiederbeginn wird wild angegriffen, weil es „so“ einfach nicht weitergehen konnte. Den Auftritt der Max Merseny Band durfte man durchaus unter taktischen Gesichtspunkten betrachten, denn der für seine Alben „Thank Y´All“ und „Everlasting“ schon zwei Mal für den Musikpreis „ECHO“ nominierte Altsaxofonist Merseny ging trotz seiner erst 29 Lenze zunächst derart auf „Nummer sicher“, dass man sich phasenweise in einem Gerry-Rafferty-Gedenkkonzert wähnte – dabei hat das vom Stau geplagte Gauting gar keine „Baker Street“, der man ein mundgeblasenes Denkmal hätte erstellen können.
Max jedenfalls hat nach eigenen Angaben schon mal zehn Jahre in Starnberg gelebt und später sogar in New York, ein Einfluss-Ort, der bei ihm unüberhörbar ist. Im besagt „torlosen“ ersten Teil des Abends begnügte sich der zweifellos technisch brillante Musiker leider allen Ernstes damit, stilistisch nur die späten 80er Jahre zu zitieren. Damals fanden vor allem Angel-Saxen und bald auch nachahmerische deutsche Saxophon-Spieler es irgendwie chic, den Hall der Einsamkeit rauf und runter zu zelebrieren und alle anderen Instrumente auf ihrem Ego-Trip beiseite zu pusten: Selbst ein nicht minder virtuoser Keyboard- und Piano-Spieler wie der Münchner Max Bublath (u.a. bekannt von der Hammond B 3 Band) ordnete sich diesem Retro-Narzissmus des Chefs anfangs unter, während die beiden Berliner Mitstreiter Felix Lehrmann (Drums) und Thomas Stieger (E-Bass) bei dieser Art Selbstbespiegelung ohnehin nichts ausrichten konnten.
Merseny meinte einleitend: „Wir sind definitiv keine leise Band“, was auf manchen in Ehren ergrauten bosco-Besucher wirkte wie angedrohte Prügel. Passend dazu kommt der Boss ja auch im schwarzen Muscle Shirt daher und lässt die linke Hand bei jeder Griff-Pause gefährlich in Schritt-Nähe herabsinken, als käme gleich der erwartbare Ruf „Yo, Motherfuckers!“ Ein Stück weit wirkt das alles, zumindest auf der Bühne, mehr wie Posen als authentisch – das neue Album „World Traveller“ (2017) mag da wohltuend abweichen, weil zum Teil in anderer Besetzung eingespielt. Man muss allerdings der in Gauting angetretenen Formation in Anbetracht ihrer ganz gewiss vorhandenen Fähigkeiten den Vorwurf machen, dass sie sich, allesamt „studierte“ Musiker, lange nicht übers „Gelernte“ hinaus wagten: „Habt ihr Lust auf Bebop?“ fragt Max irgendwann, nur um eine lahme technische Übung folgen zu lassen. Dann noch eine Prise Billy-Joel-Schmalz (Anklänge an „New York State Of Mind“) und ein Schuss „Gangsta-Rap“, und schon war die erste Schulstunde unter heftigem Gähnen geschafft.
Warum traut sich ein so begnadeter Altsaxofonist bloß nicht, die sattsam ausgetretenen Pfade (besser: achtspurige Highways) des Urban Jazz in Richtung Dschungel zu verlassen? Warum ließ einen diese Art von kalkuliertem Streber-Jazz so seltsam kalt? Im zweiten Teil des Abends waren solche Ausbruchs-versuche immerhin ansatzweise vorhanden, nicht zuletzt dank Bublath, der auch mal die Latin-Lockerheit reinbrachte. Max Merseny bearbeitete sein Instrument natürlich auch weiterhin wie einen niederzuringenden Gegner, spielte körperlich-aggressiv, bis fast die Lunge platzte. Verstärkte das alles noch mit Hilfe einer Beatbox, brachte schließlich doch noch den Groove und den HipHop und den Funk rein – und ließ nun auch den Anderen ein wenig mehr Luft und Spielraum. Merseny macht bei seinen Zwischenansagen eigentlich gar nicht den Eindruck eines eitlen musikalischen „Mackers“, dazu ist er wohl auch zu jung. Doch bei aller technischen Reife scheint er doch mehr der Perfektion der ganz Großen nachzueifern als wirklich etwas Neues riskieren zu wollen. Wenn einem bei seinem Sound aber immer nur Bilder von Sekt schlürfenden Yuppies in Luxus-Appartments in den Sinn kommen, stimmt was nicht mit dem jungen „Sturm und Drang“, nicht drei Jahrzehnte nach den hohlen 80er Jahren. Die heutigen Zeiten hätten weniger Gelacktes verdient. Max & Co. wurden im bosco dennoch artig bejubelt, das sei nicht unerwähnt.