Direkt zum Inhalt

Veranstaltungsinfo

Do, 26.09.2019
20.00 Uhr
Schauspiel

30,00 / 15,00

Regulär / bis 25 Jahre | Wir führen eine Warteliste im Theaterbüro

< Zurück zur Übersicht > Termin im Kalender eintragen
Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Metropoltheater München: "Das Ende des Regens" von Andrew Bovell

Das Mosaik einer tragischen Familienchronik erzählt von Schweigen, Einsamkeit, Verbrechen, Verlust, aber auch von Liebe und Versöhnung vor dem Hintergrund einer von Naturkatastrophen heimgesuchten Welt.

Deutsch von Maria Harpner und Anatol Preissler
Alice Springs, Australien, 2039: Gabriel York erwartet seinen Sohn Andrew, den er vor 20 Jahren verlassen und seitdem nicht mehr gesehen hat. Es regnet.

London, 1968: Henry Law verlässt seine Frau Elizabeth und den 8-jährigen Sohn Gabriel. Über den Grund seines Fortgehens wird Elizabeth für immer schweigen. Es regnet.

London, 1988: Der 28-jährige Gabriel Law bricht nach Australien auf, um sich auf die Spuren seines zwanzig Jahre zuvor am Ayers Rock verschwundenen Vaters zu begeben. Es regnet.

Coorong, Australien, 1988: Als Gabriel sich in die junge Gabrielle York verliebt, kommen sie einem seit fast 30 Jahren verschwiegenen Geheimnis auf die Spur, dessen Folgen das Schicksal ihrer beiden Familien unauslöschlich und für immer miteinander verbindet. Es regnet.

Alice Springs, Australien, 2039: Gabriel York, der Sohn von Gabriel und Gabrielle, begegnet seinem Sohn Andrew. Nach acht Jahrzehnten verbinden sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

„Das Ende des Regens“ entfaltet die Geschichte zweier Familien über 80 Jahre, vier Generationen und zwei Kontinente hinweg und umspannt dabei die Jahre 1959 bis 2039. Szene um Szene greift die Handlung voraus und zurück, verschränken sich die Orte des Geschehens, zeigen sich die Figuren zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihres Lebens. Stein um Stein lässt Andrew Bovell das Mosaik einer tragischen Familienchronik entstehen; er erzählt von Schweigen, Einsamkeit, Verbrechen, Verlust, aber auch von Liebe und Versöhnung vor dem Hintergrund einer von Naturkatastrophen heimgesuchten Welt.

Andrew Bovell, geboren 1962, ist ein australischer Dramatiker, Drehbuchschreiber und Fernsehautor. Er studierte Theaterwissenschaften an der University of Western Australia und dem Victorian College of Arts. „Das Ende des Regens“ wurde im Februar 2008 im Scott Theatre der University of Adelaide uraufgeführt, die deutsche Erstaufführung fand im Dezember 2010 am Schauspiel Bonn statt. 2008 gewann das Stück sowohl den Victorian Premier's Literary Award als auch den Queensland Premier's Literary Award. Nach „Lantana“ ist „Das Ende des Regens“ das zweite Stück Bovells, das das Metropoltheater zur Aufführung bringt.

Regie JOCHEN SCHÖLCH
Bühne THOMAS FLACH
Kostüme SANNA DEMBOWSKI
Licht HANS-PETER BODEN
Dramaturgie KATHARINA SCHÖFL
Ton PHILIPP KOLB
Regieassistenz DOMAGOJ MASLOV
Bühnenbau ALEXANDER KETTERER
Maske KATINKA WISCHNEWSKI
 
Mit THOMAS SCHRIMM, LILLY FORGÁCH, ELI WASSERSCHEID, JAMES NEWTON, DASCHA VON WABERER, VANESSA ECKART, HUBERT SCHEDLBAUER
 
Dauer 2.30 Std., eine Pause
Einführung 19.15 Uhr



"Jochen Schölch inszeniert die australisch-britische Saga über Schuld und Klimawandel in einem aufwühlenden Bühnenbild über 2 1/2 packende, verstörende Stunden hinweg. (...) nach der Pause entwickelt die Geschichte einen Sog, dem sich kaum einer entziehen konnte. Welche Geheimnisse hier unter Schmerzen gelüftet werden, das wird natürlich nicht verraten, doch es geht einmal mehr um die Sprachlosigkeit zwischen Eltern und Kindern, um Hilflosigkeit und Liebe, um Demenz und Überforderung. (...) In einer weniger raffinierten, opulenteren Ausstattung könnte das tatsächlich betulich und moralisierend wirken, bei Jochen Schölch ist das optisch absolut auf der Höhe der Zeit und inhaltlich von ergreifender Intensität." (BR)
Nach(t)kritik
"Alle kommenden Generationen haben euch im Blick"
Nach(t)kritik von Sabine Zaplin

Ein Fisch fällt vom Himmel direkt auf den Tisch von Gabriel York. Es ist das Jahr 2039, und Fische gehören ins Reich der Erinnerung. Gabriel wartet auf seinen Sohn Andrew, der schon lange nicht mehr daheim war. So, wie Gabriel selber sein Elternhaus verlassen hat, sobald dies möglich war, und sich nicht mehr hat blicken lassen daheim - nicht einmal, als seine Mutter starb. Aber irgendwann kommt der Punkt im Leben der Kinder, an dem sie wissen wollen, woher sie stammen. Darum kehrt Andrew im Jahr 2039 zurück, und darum macht sich Gabriels Vater, der ebenfalls den Namen des Erzengels trägt, im Jahr 1988 auf den Weg von London nach Australien, wohin zwanzig Jahre zuvor sein Vater Henry Ford aufgebrochen und nie mehr zurückgekehrt war. Eine Familiengeschichte, die sich über zwei Kontinente und vier Generationen hinweg entfaltet, die achtzig Jahre umspannt und mehrere tragische, auch gewaltsame Todesfälle enthält und über der immer wieder der Regen niedergeht, sturzflutartig, alles ertränkend, verwaschend. „In Bangladesh ertrinken die Menschen“, sagte Henrys Frau Elizabeth immer, und ihr Sohn Gabriel nimmt diesen Spruch mit nach Australien, ans andere Ende der Welt.

„Das Ende des Regens“, heißt das Theaterstück des australischen Schriftstellers Andrew Bovell, mit dem das Ensemble des Münchner Metropoltheaters im bosco gastiert. Die vier Schauspielerinnen (Lilly Forgach, Eli Wasserscheid, Dascha von Wabere und Vanessa Eckart) und drei Schauspieler (Thomas Schrimm, James Newton und Hubert Schedlbauer) erzählen auf einer regendüsteren Bühne (Bild: Thomas Flach) in der auf Reduktion und eine melancholische Konzentration setzenden Inszenierung von Jochen Schölch eine Geschichte vom Schweigen der Älteren über die Schuld an und das Versagen gegenüber den Jüngeren. Die Erzählweise ist nicht linear, kann es auch gar nicht sein. So, wie im Stammbaum der Familie (der glücklicherweise im Programmheft abgedruckt ist und vom Publikum als äußerst hilfreich empfunden wird), der die vier Generationen nebeneinander und damit auf einer gleichen Ebene abbildet, so stehen die Ereignisse der Familiensaga wie ein Tableau auf der Bühne. Die Suche des Gabriel Law nach seinem verschwundenen Vater Henry ist dabei ein Angelpunkt, von dem aus die Geschichte zurückwandert zur tragischen Ehe seiner Eltern in London und vorauswandert zu Gabriels eigenem tragischen Ende. Denn in Australien trifft er auf Gabrielle und verliebt sich in sie, ohne zu ahnen, dass er in den traurigen Augen dieses einsamen, unter den grausamen Todesfällen ihrer Familie leidenden Mädchens den Grund für das Verschwinden seines Vaters finden wird. Bis hin zu Gabriels eigenem Sohn und zu seinem Enkel Andrew (die er beide nie kennenlernen wird) wird sich das Leiden an Henrys Schuld und seinem Verschwinden fortsetzen, vererben. Die Vergangenheit besitzt eine Macht über die Gegenwart und Zukunft, die Toten beherrschen die Lebenden wie ein Fluch. „Das Ende des Regens“ entwickelt in dieser Inszenierung eine donnernde Wucht wie die eines antiken Dramas.

Er solle ein Theaterstück vor dem Hintergrund des Klimawandels schreiben, lautete der Auftrag an Andrew Bovell. Was aber hat eine Familiensaga mit dem Schmelzen des Ewigen Eises, dem Ansteigen des Meeresspiegels, dem ganzen Szenario der Klimakatastrophe zu tun? Weit mehr, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Denn die unbestrittene Tatsache, dass es im Jahr 2039 vermutlich wirklich keine Fische mehr geben wird, ist dem Missbrauch der Groß- und Urgroßelterngeneration an den Ressourcen geschuldet, die sie eigentlich den kommenden Generationen unzerstört zu übergeben haben. „Alle kommenden Generationen haben euch im Blick“, hat die Ikone der Fridays-for-future-Bewegung, Greta Thunberg, vor kurzem in einer wütenden Rede zur Eröffnung des Weltklimagipfels erklärt, „und wenn ihr euch dazu entscheidet, uns im Stich zu lassen, dann entscheide ich mich zu sagen: wir werden euch das nie vergeben!“ Die klare und notwendige Ansage der Enkelgeneration an die, die lange vor ihr die Weichen gestellt und damit versagt haben.

Galerie
Bilder der Veranstaltung
Do, 26.09.2019 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.