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Veranstaltungsinfo

Mi, 13.12.2023
20.00 Uhr
Schauspiel

30,00 / 12,00

Regulär / bis 25 Jahre

Metropoltheater München: "Die Wiedervereinigung der beiden Koreas" von Joël Pommerat

Liebe. In all ihren Facetten des Zusammenseins, der Trennung, des Glücks und des Unglücks,  der schieren Unmöglichkeit. Liebe – eine immerwährende Illusion?

"Wir waren wie zwei Hälften, die sich verloren hatten und die sich wiederfanden..."

In fast zwanzig schnell aufeinanderfolgenden Szenen kämpfen 27 Frauen und 24 Männer um ihr Glück: Hochzeiten geraten ins Wanken, Prostituierte werden enttäuscht, geschenkte Seelen zurückverlangt; lange verschwiegene Wahrheiten kommen ans Licht, Freundschaften verlieren den Boden, Menschen trösten einander, beteuern ihre Liebe, trennen sich; weil es keine Liebe gibt, weil die Liebe nicht mehr reicht, weil zu lieben nicht genügt. 

Pommerat erforscht die unerklärliche Kraft der Liebe mal konkret, mal mit tragischer Poesie, mal absurd-surreal, immer scharf beobachtend und oft mit stiller Komik. Wie durch ein schillerndes Kaleidoskop zeigt er die Fragilität zwischenmenschlicher Beziehungen.  Wohlbekannte Alltagssituationen geraten mit einem Wimpernschlag aus den Fugen, unerwartete Wendungen stellen die herkömmlichen Vorstellungen von Liebe auf den Kopf. 

Entsteht gerade im vermeintlichen Scheitern die sublime Kraft und Entschlossenheit zum Aufbruch in die Utopie?
"...es war, als wenn Nordkorea und Südkorea ihre Grenzen öffnen und sich wiedervereinigen würden..."

"Die Wiedervereinigung der beiden Koreas" wurde 2013 im Odéon – Théâtre de l'Europe in Paris unter Pommerats Regie uraufgeführt, die deutsche Erstaufführung  fand 2015 am Schauspiel Frankfurt statt.

Regie JOCHEN SCHÖLCH
Bühne THOMAS FLACH 
Kostüme SANNA DEMBOWSKI 
Licht HANS-PETER BODEN 
Dramaturgie KATHARINA SCHÖFL
Regieassistenz DOMAGOJ MASLOV 
Bühnenbau ALEXANDER KETTERER
Mit BUTZ BUSE, MAJA AMME, PAUL KAISER, NIKOLA NORGAUER, HUBERT SCHEDLBAUER, THOMAS SCHRIMM, DASCHA VON WABERER, ELI WASSERSCHEID, LUCCA ZÜCHNER

Einführung 19:15 Uhr
Dauer 2.30 Std., mit Pause

Nach(t)kritik
Tanz auf dem Seil
Nach(t)kritik von Sabine Zaplin

„Was Prügel sind, das weiß man schon!“, schreibt Heinrich Heine im Dritten Teil seiner „Reisebilder“, „was aber die Liebe ist, das hat noch keiner herausgebracht.“ Heine beruft sich dann auf Naturphilosophen und deren elektrophysikalische Erklärungsversuche. Dabei weiß er als Dichter nur allzu genau, dass dem Phänomen der Liebe nur mit der Literatur auf die Spur zu kommen ist. So gibt es seit Jahrhunderten hier die überzeugendsten Resultate. Eines aus neuerer Zeit ist das Theaterstück „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ von Joel Pommerat, mit dem das Metropoltheater bei seinem Gastspiel im bosco wieder einmal aufs Beste überzeugen konnte. Regisseur Jochen Schölch und sein Ensemble - im Einzelnen wie als agierende und agile Gemeinschaft überzeugend Butz Buse, Maja Amme (die für Vanessa Eckart einsprang, Paul Kaiser (der nach einem Bühnenunfall trotz gebrochener Schulter mit Armschlinge spielte), Nikola Norgauer, Hubert Schedlbauer, Thomas Schrimm Dascha von Waberer, Eli Wasserscheid und Lucca Züchner in insgesamt 51 Rollen) - spürten in zwanzig kurzen bis sehr kurzen Szenen dem nach, was sich zwischen Menschen ereignet, wenn ihnen die Liebe begegnet oder abhanden kommt.

Da ist die Frau, die nach vielen trostlosen Ehejahren die Scheidung will, weil die Liebe von Anfang an gefehlt hat. Da ist das kinderlose Paar, das einen Babysitter engagiert und diesen in ihr seltsames Spiel um erfundene Kinder einbezieht. Da ist die Braut, die kurz vor der Trauung erfährt, dass ihr Bräutigam mit all ihren Schwestern etwas hatte. Und da ist der Mann, der um die einst erlebte Liebe seines Lebens kämpft, während dieser nach und nach jede Erinnerung abhanden kommt. „Es war wunderschön“, beschreibt er ihr das gemeinsam Erlebte, „es war, als wenn Nordkorea und Südkorea ihre Grenzen öffnen und sich wiedervereinigen würden.“

Auf der vollkommen leeren Bühne, nur mit sehr wenigen Requisiten wie ein paar großen Sitzkissen oder einem Federbett, durchforsten die fünf Schauspielerinnen und vier Schauspieler des Metropol-Ensembles die verschiedenen Spielarten der Liebe. Immer gehen sie dabei bis an die Grenze, jene zwischen Realismus und Absurdität, jene zwischen Komödie und Tragödie oder jene zwischen dem Vorstellbaren und dem Reich des Phantastischen - und manchmal gehen sie weit über diese Grenzen hinaus. Dann wird es extrem, sowohl hinsichtlich der Gefühlsausbrüche als auch der spielerischen Mittel. Immer wieder wird jemand geschlagen, bedrängt, getriezt. Das kann durchaus irritieren, und das soll es gewiss auch. Dennoch gerät nie eine der Figuren in Gefahr, zur Parodie zu werden oder gar zum Klischee. Denn sie wandeln stets auf dem dünnen Seil des Gefühls, immer im Bewusstsein, abstürzen zu können, und das ohne Netz oder doppelten Boden. Doch dieses Seil trägt und so führt der schmale Pfad zu einem Ziel, wie auch immer dieses gestaltet sein mag.

Joel Pommerat, einer der zur Zeit meistgespielten Dramatiker Frankreichs, entwickelt seine Stücke gemeinsam mit den Schauspielerinnen und Schauspielern seiner Compagnie während der Proben. Dieses Improvisierte, beinahe Tänzerische zeichnet die Grundstimmung der „Wiedervereinigung der beiden Koreas“ aus. Schon der Titel deutet auch das Utopische an, was sich darin verbirgt. Und so kann das wunderschöne Schlussbild, in dem alle Schauspielerinnen und Schauspieler, teils auf Rollerblades, wie bei einem Reigen um die in der Mitte selbstversunken mit sich allein Tanzende kreisen, als eine solche Utopie gelesen werden: der oder die Einzelne ist zwar zunächst auf sich selbst zurückgeworfen, wird aber nie aus der Gemeinschaft herausfallen, die ihn umkreist und hält. Vielleicht ist das ein Bild für das so unerklärliche Phänomen der Liebe.

Galerie
Bilder der Veranstaltung
Mi, 13.12.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.