„Wenn du dir im Baumarkt ´nen Strick kaufst, analysiert dein Algorithmus, wann in deiner Gegend ´ne Wohnung frei wird.“ Ja, so sieht sie aus, die schöne neue Welt des bargeldlosen Bezahlens: Mit Hilfe der Käuferdaten wird der gläserne Mensch erschaffen, und Geheimnisse zu haben war gestern. Der Kabarettist Michael Frowin hat sich in seinem ziemlich neuen Programm „MAMMON Geld. Macht. Glück“ dem Thema der schleichenden Entprivatisierung gewidmet und nun auch dem Gautinger bosco-Publikum klar gemacht, warum es im Geiste Dagobert Ducks den Taler bzw. den Eurocent in Ehren halten sollte – die ganz konkrete Münze, die von Hand zu Hand wandert, sie bietet nämlich Schutz vor dem ganzen Ausgespähtwerden und dem bei jeder Gelegenheit fälligen Transaktionsobulus, dem wir sonst rettungslos ausgeliefert sind!
Bei dem gelernten Schauspieler, Sänger, Musical-Darsteller und Ensemble-Mitglied des Düsseldorfer „Kom(m)ödchen“ hören sich solche Warnungen und Vermeidungsappelle allerdings überhaupt nicht nach „Armageddon“-Rufen an, sondern eher nach fröhlicher Bastelanleitung des unverdrossenen kleinen Mannes: „Mein Verhältnis zu Geld ist überschaubar“, bekennt Frowin gleich zu Anfang. Da hat er freilich schon Brechts von Hanns Eisler vertontes Gedicht „Am Grunde der Moldau“ vorausgeschickt, dass seinerzeit den Schwachen und Unterlegenen in aussichtsloser Lage Mut machen sollte. Prompt wird noch Karl Lagerfeld zitiert und sogleich entzaubert: „Man muss das Geld zum Fenster hinauswerfen, damit es zur Tür wieder reinkommt.“ Habe bei ihm selber nicht funktioniert, beichtet Frowin. Macht aber nichts, denn seine Kindheitserinnerungen an das Schlachten seines Sparschweins sind schier unkaputtbar und haben bei dem gebürtigen Marburger eine derart enge Bindung zum Groschen geschaffen, dass man versucht ist, von „Festgeld“ zu sprechen.
Frowin agiert fortan in der Rolle des wackeren letzten Aufrechten, der sich weder von den Einflüsterungen des Anti-Bargeld-Lobbyisten „Gunnar“ noch vom zehnjährigen Neffen irre machen lässt, der sein Handy hackt und dabei das Konto leert, obwohl „Onkel Frowin richtig sauer“ zu werden droht. Nein, der Onkel weiß, was da läuft, und spricht es unmissverständlich aus: „Die Bargeldabschaffung ist nichts anderes als ein Freifahrtschein für die Finanzindustrie.“ Sogar personalisieren lässt sich das mit dem Datenkraken – „Algo“ zu Michael: „Wenn du so weitermachst, nehm ich dich vom Netz!“ Und wenn Frowin die kreativ-euphemistischen Wortschöpfungen der Geldmenschen vorführen will, spricht er bei einem frisch Erwürgten halt von „Negativ-Atmung“.
Neben schön zugespitzten Pointen hat der freitags in der „SWR 3-Spätschicht“ regelmäßig aktive Kabarettist auch sehr viel Analytisches im Gepäck, von der „Trickle-Down-Theorie“ der Neoliberalen (von unternehmerischen Gewinnen sickert doch bestimmt was für die Allgemeinheit durch, oder?) bis zur bargeldlosen „Pay-Paulus“-Kollekte in Schweden. Aufgelockert wird das alles immer wieder durch Lieder über „Die Ehre der Geldautomaten“ oder darüber, „Wenn alle von allen alles wissen“ – Frowin hat eine Gesangsausbildung, und das merkt man. Der Gefahr der thematischen Verengung beim schnöden Mammon und bösen Datenklau entgeht dieser so vielseitige Künstler dann auf wirklich bravouröse Art und Weise: Nach dem Besuch einer Wohnungseinweihungsparty mit lauter selbstoptimierten Schnöseln, „Bowl-Influencerin“ Charlotte und aseptischer Kochzeile rettet sich der geschundene Gast (Frowin) mit einer fantastischen Ode an die Sinnlichkeit der guten alten, nicht geruchsfreien Küche und so wunderbaren Fragen wie: „Doch wer, in aller Götter Namen, braucht den Tomatenstrunkentferner?“
Allein dieser Verzweiflungsschrei in Gedichtform ist ganz großes Kabarett respektive Theater, und nicht minder gelungen folgt bei Frowin dann später noch die Nummer vom Trinkhallenstammgast „Kurt Klawuttke“, der beim Jobcenter in die Maschinerie eines Zeitmanagement-Programms gerät und zwecks Rationierung Kaffeefilter zurechtschneidet („Am vierten Tag schmeckt der Kaffee wie bei Starbucks“). Michael Frowin führt zwei Stunden lang den ganzen Irrsinn der Ökonomisierung vor, ohne auch nur eine Sekunde zu langweilen. Und konsequenter Weise gibt er auf diese um sich greifenden Tendenzen der Entmenschlichung munter raus wie Bargeld und fordert schlussendlich uns alle auf: „Mit friedlicher Barzahlung dagegen halten!“ Kein Zweifel - Johnny Cash lebt.