Ein echter Star bekommt ein Vorprogramm, so auch in diesem Fall: es ist noch nicht die titelgebende Echse, die zuerst auftritt, sondern zwei sehr unterschiedliche Schweine, mit denen der Puppenspieler und Kabarettist Michael Hatzius den Abend beginnt. Die beiden Schweine heißen Steffi und Torsten, letzterer versucht die erstere immer wieder zu motivieren, aber Steffi „will nicht in Bayern in so einem Vorort auftreten“. Bei einem anderen Spiel, Geräusche nachmachen, will Steffi zuerst auch nicht mitmachen, gibt sich dann aber geschlagen. Nach ihrem ersten hitzigen Schlagabtausch finden beide Schweine dann doch zusammen, aus den Geräuschen wird ein Beat und plötzlich tanzen beide zusammen zur Musik.
Und dann ist es soweit, das Licht wird gedämmt, Nebel wabert auf die Bühne und die ansteigende Musik lässt den Auftritt eines Popstars vermuten. Und nicht weniger von sich selbst überzeugt betritt dann auch die vom Publikum bereits ersehnte Echse auf, im Mundwinkel eine Zigarre. Sie gibt jemanden in der ersten Reihe die Hand, nickt die Musik lässig ab und badet sich im Applaus der ausverkauften Saales, „ist angemessen“ stellt sie fest. Die Echse setzt sich entspannt auf einen Bürostuhl und überschlägt lässig die Beine; sie sei bereits unterwegs gewesen im Zentrum, sofern man das in Gauting überhaupt so nennen könne, „es gibt ja nur eine Straße, aber die kann man immerhin in zwei Richtungen gehen“.
Im darauffolgenden Programm gibt sich die Echse als Guru in unserer komplizierten Welt, vergleicht die Umweltkrise und den Lockdown 2020 mit eigenen Erfahrungen aus der Evolutionsgeschichte und erklärt nebenbei noch das Polaritätsgesetz; die Echse besitzt vielerlei Weisheiten und gibt diese gerne preis, denn „manchmal muss man die Dinge aus einer anderen Perspektive sehen - zum Beispiel von oben herab“. Und selbst nach der Pause bekommt die Echse nochmal Vorprogramm, diesmal von einem Huhn mit einem Minderwertigkeitskomplex.
Michael Hatzius erweist sich nicht nur als begnadeter Puppenspieler - die Bewegungen und Blicke der einzelnen Figuren sind so treffend beobachtet und wiedergegeben, dass man allein ihrer wegen kaum aus dem Lachen kommt - nein, besonders viel Spaß hat der Kabarettist mit seiner gekonnten Improvisation und Schlagfertigkeit. Da wird das Publikum von der Echse nach Berufen und Wünschen befragt, es werden bayerische Wörter falsch erklärt („Gscheidhaferl? Das ist so ein abfälliges bayerisches Wort für so einen woken Typ der nur Hafermilch trinkt“) und bekommt am Ende sogar noch die Zukunft vorhergesagt. Dabei löst Michael Hatzius auch immer wieder selbstironisch die Illusion des Puppenspiels, indem er auf sich als Spieler und auf den Charakter von Puppenspiel im Gegensatz zum Bauchreden hinweist.
Inhaltlich ist dabei die erste Hälfte des Abends deutlich stärker und innovativer als die zweite, in der sich die Witze leider eher auf die altbekannten und etwas verstaubten Themenfelder verlagern: in Bioläden arbeiten ungeduschte Menschen, Frauen können alle nicht rechnen und Gender ist „Gleichmachungsterror“. Dafür, dass viele Witze auf Kosten des eher betagten Anteils des sonst alterstechnisch wild gemischten Publikums gingen, wirkt hier der Humor doch selbst etwas veraltet. Das ist besonders bedauerlich, weil die erste Hälfte sehr viel klüger und vielschichtiger gestaltet war. Ob diese Haltungen nun durch die Figur der Echse als uraltes Fossil den in die Jahre gekommenen Humor innerhalb der Szene damit satirisch enttarnen und anprangern will, oder sich Hatzius hinter seiner Figur dessen einfach selbst bedient, bleibt bei alledem leider zu uneindeutig. Schade, dabei bietet die Figur der Echse und das große Können von Hatzius selbst so viel Grundlage für weitergehende, zeitgemäßere Beobachtungen, das hat die erste Hälfte bewiesen.
Insgesamt handelte es sich aber um einen sehr kurzweiligen Abend, der neben vielen treffsicheren Pointen auch viele liebevolle Botschaften und philosophische Weisheiten enthielt und vor allem das Publikum so oft und schallend zum Lachen brachte, wie man es schon lange nicht mehr erlebt hat. Nach einer abschließenden Lebensweisheit verlässt die Echse unter tosendem Applaus die Bühne.