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Veranstaltungsinfo

Mi, 14.11.2018
20.00 Uhr
Kabarett

22,00 / 10,00

Vorverkauf ab 07.07.2018

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Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Ohne Rolf: Seitenwechsel

In ihrem vierten Stück wechseln Ohne Rolf die Seiten und suchen einen Ersatz, der das Zeug zum Blättern hat.
Als sich die beiden Plakatkünstler im Jahre 1999 zum ersten Mal mit ihren Plakaten auf die Strasse stellten, glaubte niemand daran, dass sie in den drauffolgenden Jahren drei erfrischend-komische Programme daraus kreieren würden. Dafür bekamen sie den Deutschen Kabarett-Preis und den Deutschen Kleinkunstpreis, zwei der renommiertesten Theater-Preise in Deutschland: "Mit der von ihnen erfundenen ‚erlesenen Komik’ sprengen sie mühelos alle Genregrenzen zwischen Kabarett, Theater und Literatur. Ihr nahezu unerschöpflicher Ideenreichtum, ihre punktgenaue Präzision, ihre sprach-spielerische Leichtigkeit und die philosophische Tiefe ihrer Programme sind so überraschend, phantasievoll und mitreißend, dass man nach einem Programm von OHNE ROLF süchtig nach mehr wird“, schrieb die Jury des Deutschen Kabarettpreises 2015. Und "mehr" gibt's jetzt: In ihrem vierten Stück wechseln Ohne Rolf die Seiten und suchen einen Ersatz, der das Zeug zum Blättern hat.

Nach(t)kritik
Jenseits der Blätter
Nach(t)kritik von Sabine Zaplin

Seitenwechsel. Auf den ersten Blick klingt er so harmlos, der Titel des vierten Programms von OHNE ROLF, dem blätternden Plakatgesprächs-Duo aus der Schweiz.  Harmlos ist auch der Beginn: es soll ein Ersatz gesucht werden für Blattländer Jonas, jemand anderer soll für ihn die Plakate umblättern und mit Christof, dem anderen Blattländer, den stimmlosen Dialog der beschrifteten Blätter aufnehmen. Jeder, jede aus dem Publikum ist aufgefordert, sich über die ausliegenden Bewerbungsbögen ins Spiel zu bringen. Und tatsächlich werden auch einige Kandidaten auf die Bühne geholt und getestet. Und wie man das von OHNE ROLF gewohnt ist, entspinnt sich sofort ein munteres und immer sehr spontan wirkendes Gespräch mittels der Sätze, die von allen Beteiligten durch Umblättern auf die Plakatständer gesetzt werden. 

Ein erster Seitenwechsel schon hier. Zwar gab es auch in den vorherigen Programmen schon mal eine Publikumsbeteiligung, doch hier übernehmen die Zuschauer in der ersten Hälfte schon einen gewichtigen Teil des Programms. Der Spaß entsteht immer wieder dadurch, dass die bereitwillig auf die Bühne folgenden Gäste ein abgekartetes Spiel mitmachen, dass sie zu keinem Zeitpunkt wissen, was sie da über ihre Plakate an Weisheiten, Sprüchen oder schlagfertigen Erwiderungen von sich geben. Das macht zunächst Spaß, wird aber gegen Ende der ersten Halbzeit auch ein bisschen ermüdend, nachdem das Prinzip erkannt ist und sich nicht hinreichend verändert.

Nach der Pause jedoch verwandelt sich die Stimmung vollkommen. Aus dem zunächst so harmlos scheinenden Papertalk mit Publikum wird nun ein kleiner Höllenritt hinüber zur anderen Seite, werden die ganz großen Fragen gestellt. Was, wenn einer der beiden Clowns fortan um sein Leben spielen muss? Wo wird er hingehen, wenn das letzte Plakat umgeblättert, die letzte Seite aufgeschlagen ist? Und kann er einfach so durch jemand anderen ersetzt werden? Wo beginnt der Seitenwechsel von absoluter Ehrlichkeit hinüber zum absoluten Maskenspiel? Vom wirklichen Sprechen mit eigenen, scheinbar eingerosteten Stimmen über ein Preisgeben biographischer Details bis hin zum Maskenspiel mit Zauberei, die einzig über Worte auf Plakaten funktioniert, wird hier der ganze Bogen der Lebensrollen abgeschritten. Am Ende bringt der Tod selbst sich hier ins Spiel, wechselt selber die Seiten und übernimmt den Part dessen, der die Bewerbungsfragen stellt. 

Und immer wieder ist es die Sprache, die zum Vehikel im Seitenwechsel wird. Die Worte, die für sich selber stehen. Die ein Eigenleben führen und die gerade dann, wenn sie auf Papier festgeschrieben stehen, so gar nicht papiern und so wunderbar leicht, so poetisch sind. So mächtig. Als ob sie die beiden Plakatkünstler gar nicht bräuchten. Vielleicht ist das der endgültige Seitenwechsel: wenn die Worte die Menschen überleben. Aber bis dahin wird OHNE ROLF das Sagen haben. Mit Jonas.