Wollte man die Charakteristika dieses Konzerts mit wenigen Begriffen auf den Punkt bringen, stünden Präzision und Intensität wohl gleichauf an erster Stelle, dicht gefolgt von Musikalität, Spielfreude und bester Bühnenpräsenz. Ob das Parker Quartet den satten Zugriff generell pflegt oder ob er doch eher am Repertoire festzumachen war, ließ sich zwar nicht bestimmen, doch fühlten sich die vier Musiker sichtlich wohl im lustvollen Zupacken, ohne sich von der Sorgfalt im ausbalancieren des eigenen Ensembleklangs ausbremsen zu lassen. Es war mal wieder eines von den Erlebniskonzerten, zumal die Ergänzung zum Quintett mit Kim Kashkashian, der Grande Dame der Viola, die als Professorin auch diesem Quartett einst auf die Sprünge geholfen hatte, zudem eine einzigartige Note auf die Bühne brachte. Ihr substanzvolles, dennoch sehr erfrischendes Spiel ließ einmal mehr bedauern, dass die Bratsche von vielen Komponisten so sträflich vernachlässigt worden ist.
Im Programm des Parker Quartet war diesbezüglich wohl nur Haydn zu nennen, auch wenn in diesem zweiten der sechs Streichquartette, die der Maestro für den ungarischen Grafen Anton Apponyi geschrieben hatte, alle vier Stimmen auf eine geradezu orchestrale Fülle ausgerichtet sind und daher gerade auch die Mittelstimme der Bratsche einen gewichtigen Part beizutragen hat. Diese Quartette waren erstmals für einen öffentlichen Konzertsaal in London gedacht. Doch das Parker Quartet zügelte die allzu symphonische Anlage und besann sich auf feinste kammermusikalische Qualitäten, wenn auch in üppiger Form ausgekostet. Dabei unter anderem die Farbigkeit betreffend, nicht nur in den ausgelassenen Allegro-Teilen, sondern auch im wunderbaren Adagio von geradezu frühromantisch warmer Farbpalette.
Ein erheblich erweitertes Gestaltungsspektrum traf hier auf Benjamin Brittens Streichquartett op. 36, das der gerade erst zum Ruhm gelangte Komponist zum 250. Todestag von Henry Purcell kreieren durfte. Ein geniales Werk von außergewöhnlicher Dichte, das dem Parker Quartet die Gelegenheit gab, seine Meisterschaft im Spannungsaufbau zu demonstrieren, insbesondere in den an Bartóks folkloristischen Stil erinnernden Passagen über Orgelpunkten. Die gedämpfte Atmosphäre im zentralen Vivace machte das Ensemble zu einer geheimnisvollen Erzählung, die es in der Schluss-Chacony mit ihren insgesamt 21 Variationen, unterbrochen von imposant gesteigerten Solokadenzen, zu einer pompösen Rhapsodie erhob.Auch Antonin Dvořáks Sreichquintett op. 97 ist ein symphonisch ausgebreitetes Werk, in dem, wie bei Britten, gerade der Bratsche (hier schließlich doppelt besetzt) mit seiner kantablen Wärme eine herausragende Rolle zukommt. Es steht seiner berühmten Symphonie aus der neuen Welt sehr nah, auch zeitlich. Doch im Quintett verarbeitete der Komponist einen darauffolgenden Ferienaufenthalt in Spilville im US-Bundesstaat Iowa, einer tschechischen Enklave, in der sich tschechische, amerikanische und indianische Elemente zu einer betörend schönen musikalischen Mixtur verbinden konnten. Anders als in der Symphonie flossen hier indianische Trommelrhythmen und rituelle Gesänge ins musikalische Vokabular ein. Neben typisch amerikanischer Pentatonik und seelentief wohltuenden böhmischen Melodien und Tänzen. Ergreifend schön formte das Ensemble das stimmungsvolle Larghetto mit seinen fünf Variationen in warmtoniger Lyrik, das sich als Zugabe in der Empfindsamkeit und sensiblen Expressivität noch einmal zu steigern vermochte.