Europa könnte momentan etwas mehr Harmonie vertragen – wie gut, dass es die Formation „Radio Europa“ gibt, die wenigstens musikalisch Grenzen überwindet: Zur Spielzeiteröffnung im bosco hatten die fünf Globetrotter, von denen Schlagzeuger Roland Duckarm (Deutsch-Ungar) berichtet, sie häten „für Sie elf Jahre lang Europa bereist“, so einiges Unverzollte im Gepäck: Angefangen mit einem bulgarischen Tanzlied im halsbrecherischen 15-Achtel-Takt bis zu einer Mozart-Opus 40-Variation („Wolferl moves East“), bei der jeder Gaul der Wiener Hofreitschule sofort des Doping verdächtigt würde, so er sich denn zu dieser Gangart bewegte. Allein die weltmeisterliche Besetzung von „Radio Europa“ ist ein Garant dafür, dass das stilistische Crossover jederzeit mit Bravour gemeistert wird: „Teufelsgeiger“ Jörg Widmoser (Violine), unerschrockenes Mastermind des „Modern String Quartet“, macht sich zum Beispiel an Beethovens „Ode an die Freude“ heran wie einst Jimi Hendrix an die amerikanische Nationalhymne, während Andreas Wiersich mit seinem Gitarrenspiel bei „Made in France“ sogar dem großen Django Reinhardt Respekt abgenötigt hätte. Dazu gesellen sich in dieser paneuropäischen Union der tschechisch beeinflusste Kontrabassist Alexander Bayer, der es schafft, Hannibals Alpen-Überquerung tatsächlich in elefantöse Bass-Bilder zu übersetzen, sowie Wolfgang Lell am Akkordeon – über ihn behauptet Band-Sprecher Duckarm doch glatt, er wisse über Slowenien derart komplett Bescheid, „dass ihn sogar Google fragt“. Wie auch immer: Lell spielt seinen Part zwischen Tango, Musette und Schrammelmusik auf dieser Europa-Reise mit mafiöser Gelassenheit - Wissen ist einfach Macht! Und dann noch dieser Drummer: Holt plötzlich drei Blumentöpfe hervor und zaubert nur mit den Händen eine Percussion, dass man sofort ins nächste Gartencenter eilen möchte: „Fragen Sie mal nach einem Topf in C und berichten Sie mir, wie der Verkäufer reagiert hat“, ermuntert Duckarm die begeisterten Zuhörer.
Zu diesem Zeitpunkt ist das Bosco-Auditorium schon längst in europäischer Ferien-Laune. Widmoser hatte seine eben noch schottisch oder irisch „reisende“ Violine zur Bouzouki umfunktioniert und zusammen mit den Anderen einen Griechen-Sirtaki hingelegt, der alleine einen kompletten Schuldenschnitt für Hellas wert gewesen wäre. Nur ein finnischer Tango mit melancholischem Einschlag und ein aus chiropraktischen Erwägungen nicht zu empfehlender tscheschischer Tanz im Elf-Achtel-Takt – er feierte offenbar ein Pflanzenschutzmittel, das unter dem Namen „Becherovka“ als Getränk Karriere machte – vermochten da noch Kontra zu geben. Der Spielzeitauftakt mit „Radio Europa“ - er hätte nicht besser sein können: Grenzüberschreitend, fulminant, völkerverbindend.