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Veranstaltungsinfo

Mi, 06.01.2016
17.00 Uhr
Ausstellung

Eintritt frei
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Veranstalter: Theaterforum Gauting e.V.

Rainer Viertlböck: Fotografien aus München und Huelva

Die spannendsten Bilder über MÜNCHEN, wie sie es noch nie gesehen haben, stammen vom Gautinger Fotografen Rainer Viertlböck!
Der vielfach ausgezeichnete Fotograf kam nach mehreren Jahren internationaler Arbeit in seine Heimatstadt zurück und sah sie mit neuen Augen. Seit 2009 arbeitete er an seiner ungewöhnlichen München-Serie, die neben den Wahrzeichen Münchens auch Luftaufnahmen von Stadtteilen, Plätzen, Straßenzügen und historischen und modernen Einzelbauten enthält. Im bosco können wir Ihnen eine Auswahl dieser großartigen Bilder zeigen, die eben bei Schirmer/Mosel als Buch erschienen sind.

Um das breite Spektrum seines Schaffens anzudeuten, zeigen wir gleichzeitig einen zweiten Teil seiner Serie CHABOLAS. Im ersten Teil konnten wir 2014 im bosco die Bilder der selbstgebauten Hütten afrikanischer Flüchtlinge in Spanien zeigen. Nun folgen die dahinterliegenden Plantagen, Industriebrachen und Abrauminseln.

Rainer Viertlböck widmet seine Arbeit zu gleichen Teilen den Licht- als auch den Schattenseiten unserer globalisierten Welt und fotografiert Architektur, Stadträume und
Landschaft. So entstanden und entstehen seine Fotoserien zu Themen, wie zum Beispiel von Bunkeranlagen und Bauten des Dritten Reiches, still gelegten Industriebrachen und Chemie Abraum Landschaften, Behausungen von Afrika Flüchtlingen in Südspanien, den so genannten Chabolas, oder von Gary, einer Vorstadt von Chicago im Kontrast zu dessen opulentem Stadtzentrum.
Im Kontrast dazu fotografiert RV Architekturen wie das Lebenswerk des deutschamerikanischen Architekten Helmut Jahn oder Städteserien wie zB. “Der neue Blick auf München” oder Roma.

Rainer Viertlböck begann seine fotografische Arbeit im Jahre 2001 mit großformatigen Architekturmotiven nach einer Laufbahn als Musiker und Komponist, in der er
hauptsächliche Filmmusiken komponierte.

Die Ausstellung ist zu besichtigen während der Öffnungszeiten des Theaterbüros und zu den Abendveranstaltungen.
Nach(t)kritik
"Licht und Schatten". Fotograf Rainer Viertlböck
Nach(t)kritik von Christine Cless-Wesle
Gauting -  Perspektivwechsel „Licht und Schatten“. Rainer Viertlböck, mehrfach ausgezeichneter Fotograf aus Gauting, beim „Tee bei Sabine“ am 6. 1. 2016: Die   phantastische Groß-Aufnahme von der Schnee bedeckten Münchner Quadriga hoch über der Ludwigstraße hängt derzeit im oberen bosco-Foyer.  Viertlböcks faszinierende Luftbilder-Serie von München steht im Kontrast zu seinen Fotografien aus seiner zweiten Heimat Süd-Spanien: Beim „Tee“ sprach der Künstler auch über seine Momentaufnahmen der kargen Behausungen illegaler afrikanischer Wanderarbeiter. 
„Fotografien aus München und Huelva“: Zur Vernissage in der überfüllten Bar rosso befragte Sabine Zaplin den Künstler  recht hartnäckig. Doch so leicht ließ sich der Fotograf seine Geheimnisse auch von der versierten Kulturjournalistin nicht entreißen.
„Ich widme meine Arbeit zu gleichen Teilen den Licht- und Schattenseiten unserer Welt“, erklärt Rainer Viertlböck. Im bosco zeigt der Gautinger, der lange in Süd-Spanien lebte, zum einen Bilder aus seiner Münchner-Serie: Die außergewöhnlichen Aufnahmen aus ganz überraschenden Perspektiven sind gerade im renommierten Schirmer/Moser Verlag als Buch erschienen.
Als Kontrast dazu präsentiert  Viertlböck seine zeitgleich entstandenen Industrie-Aufnahmen aus Südspanien: Das ausgestellte Bild „chemischer Abraum“ verklappt auf einer Halbinsel, in nur 500 Metern Entfernung von der 150 000-Einwohner-Stadt Huelva ist von bezwingender Ästhetik, denn: Es sind keine Menschen sichtbar. Der Betrachter sieht nur die von Menschen geschaffene Industrie. Oder die schon 2014 ausgestellten „Chabolas“, bescheidenste Behausungen afrikanischer Plantagen-Arbeiter, hergestellt aus Abfall-Materialien des Obstanbaus.
„Nach den Jahren in Süd-Spanien erscheint mir München wie eine Wohlstands-Insel – im Guten wie im Schlechten“, bekennt der renommierte Architektur-Fotograf.  Nicht zuletzt deswegen widmet Rainer Viertlböck sein Werk den Licht- und Schattenseiten unserer globalisierten Welt.
In Tokio und Fukushima entsteht gerade das neueste Projekt des Fotografen: Unsichtbar, wie die versteckten Hütten der illegalen  Plantagenarbeiter in Süd-Spanien, verschwindet nicht nur in Japan die radioaktive Verstrahlung unter der oberflächlichen Art „hübsch zu leben.“
Der Fotograf hat eine steile Karriere hingelegt: Rainer Viertlböck startete seine Künstler-Laufbahn zunächst als  Musiker und Film-Komponist. Erst 2001 begann der Wahl-Gautinger, der auch seine frühmorgendliche Joggingstrecke im Wald ablichtet, als Landschafts- und Architektur-Fotograf.  Unter anderem mit Auftragsarbeiten über das Lebenswerk des bekannten  deutschamerikanischen Architekten Helmut Jahn.  Doch „den auslösenden Moment“ zu „Bildstrecken“ zu wechseln, gab es eigentlich  nicht, sondern „viele Schlüsselmomente“, bekennt Rainer Viertlböck.
Von den Techniken der Auftrags-Arbeiten profitierte der Künstler im Endeffekt bei der zum Teil im bosco ausgestellten München-Serie: Mit Hubwagen, Drohnen oder aus dem Helikopter hat Viertlböck die Bilder aufgenommen. Welche Technik er bei welchem Motiv angewandt hat – das verrät der Fotograf nicht. 
Doch so entdeckt sogar der Ur- Münchner im bosco nie gesehene Perspektiven: Zum Beispiel die Großaufnahme der goldenen Kugel auf dem Dach des Müllerschen Volksbads.  Oder das „Münchner Kindl“ hoch oben auf dem Rathaus.
„Licht und Schatten“ beherrschen die stets  ästhetischen Viertlböck-Fotografien. Auch das perfekte Großformat von der Schnee bedeckten gusseisernen Bavaria: Hoch oben vom Siegestor reitet die Quadriga mit vier Löwen dem siegreichen bayerischen Heer entgegen. Unten liegt die beschneite Ludwigstraße, im Hintergrund der Himmel in der Winterdämmerung – mit hoffnungsvollem Lichtstreifen am Horizont. Die im bosco ausgestellte Quadriga der ungewöhnlichen München-Serie ist auch im aktuellen Bildband angedruckt.
Doch Menschen erfasst das  präzise Kameraauge dieses Künstlers allenfalls aus der Distanz eines fliegenden Vogels: In Viertlböcks gerade entstehender „Oktoberfest“-Serie wird man die übliche Lederhos´n- und Trachtler-Umzugs-Romantik also vergeblich suchen. 
      
              
 
 
 
Nach(t)kritik
Licht- und Schattenseiten der globalisierten Welt
Nach(t)kritik von Katja Sebald
Erst kommt das Meer. Dann kommen die riesigen Fabriken der chemischen Industrie. Direkt dahinter beginnt das größte Erdbeeranbaugebiet Europas. Und dann kommen die sogenannten Chabolas, die illegal errichteten Hüttensiedlungen der meist ebenfalls illegalen schwarzen Immigranten. Das alles ist eigentlich sehr praktisch, denn in den Chemiefabriken werden die Dinge hergestellt, die man nebenan zur Obsterzeugung braucht. Düngemittel und Pestizide, Plastikplanen und Kartonagen. Und die Menschen, die in den Chabolas leben, arbeiten für wenig Geld auf den Plantagen. Sie bauen sich ihre Hütten aus Abfallmaterialien und holen ihr Trinkwasser in alten Düngerkanistern. Das ist Huelva in Andalusien. Kaum ein Tourist wird es so erleben, wie es der preisgekrönte Architekturfotograf Rainer Viertlböck in seiner aktuellen Ausstellung zeigt. 

Bereits 2014 waren seine hochästhetischen und zugleich erschreckenden Bilder von den Chabolas bei Huelva im bosco zu sehen, jetzt hat er sozusagen noch einmal nachgelegt. Damals näherte sich Viertlböck der „Low-End-Architektur“ mit demselben Respekt – und übrigens auch mit demselben  technischen Aufwand – wie der „High-End-Architektur“, die er normalerweise fotografiert. In den sorgfältig ausgeleuchteten „Interieurs“ waren keine Menschen zu sehen, sondern die „architektonischen“ Besonderheiten ihrer armseligen Behausungen, verknotete Schnüre, die Stützkonstruktionen zusammenhalten, Pappkartons, die Wände dämmen, die improvisierte Einrichtung des Küchenzelts. „Die Bewohner der Hütten haben diesen Respekt verdient“, sagte er damals. Jetzt aber zeigt Viertlböck, manchmal aus der Drohnenperspektive und manchmal nur mit etwas mehr Abstand das ganze Ausmaß der menschengemachten Katastrophe: eine öde und zerstörte Landschaft, giftige Chemiewolken, verseuchte Flüsse, veraltete Industrienanlagen, Bauruinen und Straßen, die ins Nichts führen. Und doch liegt hinter all dem ein trügerisch blaues Meer, und doch geht hinter den Schloten eine trügerisch glühende Sonne auf – und doch essen wir alle trügerisch rote Erdbeeren aus Spanien.

Die Erdbeeren sind es, die den einen Teil dieser Ausstellung mit dem anderen verbinden: „Ich widme meine Arbeit zu gleichen Teilen den Licht- und Schattenseiten unserer Welt“, schreibt Viertlböck im Text zur Ausstellung. Etwa zeitgleich mit den Arbeiten aus Spanien fotografierte er seine Heimatstadt München, die er nach einigen Jahren im Ausland auf einmal mit ganz anderen Augen sah. Im bosco ist jetzt auch eine kleine Auswahl der München-Motive zu sehen, die im Herbst in einem opulenten Bildband bei Schirmer/Mosel erschienen sind.

Ein „beschauliches Eiland“ sei München für ihn, sagte Rainer Viertlböck bei der Ausstellungseröffnung. Die Bilder, die er von München machte, sind alles andere als beschaulich: Es sind spektakuläre Aufnahmen, die in ihrer cleanen und ungemein tiefenscharfen Ästhetik beinahe an Gursky-Montagen denken lassen, noch mehr aber durch ihre höchst ungewöhnlichen Blickwinkel überraschen. Viertlböck montierte seine Kamera auf eine Hebebühne oder auf eine Drohne, er überflog die Stadt im Hubschrauber und gelangte so an Aussichtspunkte, die eigentlich unerreichbar sind. Er war Kopf an Kopf mit dem Friedensengel und ging der Quadriga auf dem Siegestor entgegen, er umschwirrte die Türme des Müller’schen Volksbads und schaute von oben ins Silvesterfeuerwerk.