„Honeckers Fistelstimme geht ganz leicht, das kann jeder“, sagt Reiner Kröhnert beim Zugabenteil seines Programms, „genauso ist es mit Gerhard Schröders Bruststimme, noch besser mit Bronchialkatarrh“. Kurz zuvor hat der 1,97 messende Kröhnert knapp zwei Stunden lang unter Beweis gestellt, dass er nicht nur körperlich ein Riese ist - in dichter Taktung waren bei „Kröhnert XXL – Großes Parodistenkino“ in Stimme, Mimik und Gestik folgende Personen des öffent-lichen Lebens zu Gast: eine machtversessene Angela Merkel, ein arschkriecherischer Ronald Pofalla, ein salbadernder Joachim Gauck. Als unfreiwillige Zellengenossen treten Erich Honecker und Adolf Hitler auf, verwickelt in dialogische Geschichtsbetrachtung. Als weiteres Mini-Format das Duo Michel Friedmann (fingerspreizend-eitel) und Rüdiger Safranski (deutungswütig-verstiegen), das sich zum Vergnügen des bosco-Publikums in der Talk-Reihe „Der Intellekt hat viele Gesichter“ einige eher schlichte Gäste vorknöpft – einen tumben Boris Becker, einen dummdreisten Dieter Bohlen, eine prollige Daniela Katzenberger, einen erschütternd simplen Franz Beckenbauer. Reiner Kröhnert leistet hier weit mehr als bloßes Parodieren: Er zeigt bei der imitierten Prominenz die Fallhöhen zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen medialem Posing und durchschimmernder Schlichtheit auf; er zieht aus dem Geplänkel zwischen „untotem“ Führer und „im Vorhöllenruhestand“ befindlichem Ex-Staatsratsvorsitzenden politische Parallelen zu heute und lässt seinen Hitler wie nebenbei den bemerkenswerten Satz sagen: „Ich mache jeden Fahler nur einmal, da unterscheide ich mich deutlich vom deutschen Volk.“
Der fast 60-jährige Kröhnert war vor seiner Kabarettistenlaufbahn mal am Staatsschauspiel Stuttgart und auch später an diversen Bühnen tätig. Sein Theater-können kommt ihm nun auch beim seit 2017 gezeigten „Parodistenkino“ zugute: Da lässt er einen wild deklamierenden Klaus Kinski („Ich bin´s – der Sexbesessene“) noch einmal gegen den stets breit lächelnden Menschenfreund, Kinski-Versteher und Regisseur Werner Herzog zetern; das lässt er einen haspelnden Edmund Stoiber (Kabarett-Kollege Wolfgang Krebs ist hier allerdings unerreicht) die Gemeinsamkeiten und verwandten Hobbys mit einem bräsig-verbürgerlichten Winfried Kretschmann ausloten: Stoiber sammelt seltene Hotel-Seifen, Kretschmann Devotionalien für seinen häuslichen Merkel-Schrein. Bis hin zu den Körperhaltungen hat Kröhnert seine Objekte studiert: Friedmanns übereinander geschlagene Beine im Sessel, Safranskis Haare raufende Philosophen-Zerzaustheit, Hitlers Armgefuchtel und natürlich Merkels rautenförmiges Vakuum. Bei den Grimassen hat er sich genauestens Boris Beckers Mo-mentum des Nichtkapierens abgeschaut – offener Mund, leerer Blick. Großartig, wie Kröhnert erst Rüdiger Safranski über Adorno und Karl Popper schwadronieren lässt, um gleich darauf dem „Bobbele“ das Wort zu erteilen: „Das war nicht Popper, sondern der Pocher, der Arsch - der hat meine Ex gepoppt!“ Donald Trumps America-First-Schallplatte und das anrührende Martin-Schulz-„ch“, Dieter Bohlens Präpotenz („Jetzt pass ma auf, du Grützgurke!“), er hat sie alle drauf und führt uns vor, was für seltsame, deformierte Figuren wir uns sowohl in der Politik wie auch im Sport und der sogenannten Kultur-Landschaft leisten. Kröhnert reduziert diese Protagonisten auf ihre Unvollkommenkeiten, er holt sie für uns dekonstrukti-vistisch (Safranski, nimm dies!) von ihren Sockeln, und sei es mit der verwaschenen Sprache eines Erich Honecker – bei dem war am Ende vom Begriff der „Deutscher Demo-kratischer Republik“ nur noch der Wortfetzen „Rewlik“ übrig. Kann ja angeblich fast jeder. Reiner Kröhnert hat jedenfalls eine Sternstunde der Modulationskunst abgeliefert, in „XXL“.